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Vernehmung: Besser auf die sanfte Tour

Kein „Tatort“ und kaum eine amerikanische TV-Serie kommt ohne sie aus: Die harten und unerbittlichen Kommissare, die aus jedem Verdächtigen die Wahrheit herausbekommen. Aber sind solch rohen Verhörpraktiken bei der Vernehmung von Beschuldigten wirklich hilfreich?

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Empathische Vernehmungsmethoden sind effektiver als aggressive Verhöre // Foto: Pa­tri­cia Schenk / Photocase.de

Jedenfalls dann nicht, wenn man von dem Verdächtigen verwertbare Informationen erhalten möchte. Abgesehen davon, dass in § 136a StPO ausdrücklich verbotene Vernehmungsmethoden aufgeführt sind, eignen sich subtile Techniken weitaus besser – als besonders effizient hat sich eine Praktik erwiesen, die man aus der Suchttherapie kennt. Dies belegt nun auch eine Studie vom „Institut für Risiko und Unsicherheit“ der Universität Liverpool, die 288 Stunden Ton- und Videoaufzeichnungen von Verhören analysiert haben, die britische Spezialisten mit 29 später Verurteilten Terrorverdächtigen geführt haben.1

Bereits milder Druck schadet der Vernehmung mehr als er ihr nützt

Die motivierende Gesprächsführung, eigentlich für die Suchttherapie entwickelt, lässt sich auch als Vernehmungsmethode überaus erfolgreich einsetzen. Sie setzt darauf, ein gutes Verhältnis zum Gegenüber aufzubauen, um eine kooperative Atmosphäre zu schaffen, die von Respekt und Mitgefühl getragen ist. Laurence Alison, Professor für forensische und investigative Psychologe an der Universität Liverpool überschrieb seine Studie deshalb mit dem Titel „Warum die harte Taktik versagt und ein gutes Verhältnis Ergebnisse bringt“.2

Die offene Atmosphäre mache es für dem Beschuldigten zwar möglicherweise schwerer, falsche Angaben zu machen oder belastende Informationen zu verschweigen. Dennoch bleibe ihm zumindest die freie Entscheidung, Antworten zu geben oder diese eben zu verweigern.

Bemerkenswert ist, dass es nach der Studie entgegen üblicher Erwartungen sogar nützlich ist, Verdächtige immer wieder an ihr Schweigerecht zu erinnern. Sie machen dann nicht etwa mehr Gebrauch davon, sondern weniger – wohl, weil sie ihren eigenen Willen respektiert sehen. Fatal wirkte sich dagegen sarkastisches und überhebliches Auftreten aus, wie es oft bei Kommissaren im Fernsehen zu beobachten ist. Herablassende Phrasen wie „Das war nicht besonders schlau, was?“ oder plump-vertrauliches Benehmen („Rück‘ schon raus Kumpel, ist zu Deinem Besten“) erwiesen sich als kontraproduktiv. Verhalten sich die Vernehmungsbeamten jedoch insgesamt respektvoll, schadet es hingegen nicht, wenn sie dem Beschuldigten während der Vernehmung gelegentlich sachlich widersprechen oder ihn mit Beweismaterial konfrontieren.

Sarkasmus und Härte verhelfen nicht zum Geständnis

Das ist bislang freilich nicht die herrschende Meinung. In weiten Teilen der Welt werden brutale Verhörmethoden bis hin zur Folter praktiziert. Daraus könne man schließen, dass Regierungen glauben, dass so „die Effektivität der Verhöre gesteigert wird“, konstatierte 2006 das Intelligence Science Board, ein Beratergremium der US-Geheimdienste. Natürlich lässt sich auf diese Art und Weise nicht jeder Terrorverdächtige zum Reden bringen, denn gerade ideologisch Gefestigte würden auf kooperative Gesprächsführung nicht reagieren. Jedoch ruiniert ein aggressiver Umgang in einer Vernehmung auch die letzte Chance, dass sich der Vernommene vielleicht doch umstimmen lässt: „Man kann es durchaus schlimmer machen“, davon ist Alison überzeugt.3

Doch auch in Deutschland werden verbotene Vernehmungsmethoden wie die Reid-Methode bei polizeilichen Verhören eingesetzt, wie häufig kann niemand sagen. Auch diese Methode beginnt mit einer verständnisvollen Vernehmungskomponente, schlägt dann jedoch sehr schnell in ein aggressives, stressförderndes Verhör um, bei dem sich gern auch Schlafentzug zunutze gemacht wird. Gerade die Ausnutzung dieser Ermüdung ist in dem Verbot des § 136a S. 1 StPO enthalten; allerdings zeigte sich die Rechtsprechung in diesem Punkt bisher ausgesprochen großzügig4. Im Prinzip testet die Vernehmungsperson, auf welche Art der Befragung der Beschuldigte anspricht und führt diese Strategie dann fort. Die Dokumentation solcher Vernehmungen erweist sich im Nachhinein meist als lückenhaft, so dass deren Verwertbarkeit nur schwierig anzugreifen ist.

Aus Sicht der Strafverteidigung kann jedem Beschuldigten allerdings nur ein kluger Rat gegeben werden5: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!

 

  1. Die Studie trägt den Titel „Why Tough Tactics Fail and Rapport Gets Results: Observing Rapport-Based Interpersonal Techniques (ORBIT) to Generate Useful Information From Terrorists“. []
  2. vgl. Fn. 1, erschienen in Psychology, Public Policy, and Law 2013, Vol. 19, No. 4, 411–431. []
  3. Jochen Paulus: Mitgefühl hilft beim Verhör mehr als Brutalität, Tagesanzeiger vom 12.05.2014 []
  4. vgl. schon BGHSt 1, 376: Verhör zwischen 2 und 4 Uhr morgens, nachdem die Beschuldigte in der Nacht für die Vernehmung geweckt wurde. Darüber hinaus bewirkt der Verstoß keine Fortwirkung, so dass eine Aussage ohne qualifizierte Belehrung nach erneuter Vernehmung verwendet werden kann. []
  5. Dieser Rat ist vor allem allgemeingültig: Eine Einlassung kann nie „zu spät“ aber sehr häufig „zu früh“ erfolgen. Bevor eine Aussage gemacht wird, sollte immer ein Strafverteidiger hinzugezogen werden, mit dem das weitere Vorgehen besprochen wird. []

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