Seit Anfang des Jahres müssen Aussagen von Beschuldigten eines Tötungsdelikts mit Bild und Ton aufgezeichnet werden. Der § 136 Abs. 4 StPO erweitert die Pflichten für eine audiovisuelle Aufzeichnung bei der Vernehmung von Beschuldigten. Bisher war eine Videoaufzeichnung gem. § 163a Abs. 1 Satz 2 StPO a.F., der auf die §§ 58a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3, 58b StPO verwiesen hat, möglich. Jedoch kam dies in der Praxis kaum zur Anwendung. Nun werden die Ermittlungsbehörden in die Pflicht genommen.
Bei der audiovisuellen Aufzeichnung von einer Vernehmung handelt es sich immer um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten gem. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Jedoch überwiegt das staatliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und einer möglichst umfassenden und zutreffenden Wahrheitsfindung. Dies rechtfertigt somit den Eingriff in dieses Grundrecht des Beschuldigten.
Ziel der neuen Regelung
Hauptziel der neuen Regelung ist es die Wahrheitsfindung zu verbessern. Denn im Gegensatz zu Protokollen birgt die audiovisuelle Aufzeichnung deutliche Vorteile sowohl für die Verbesserung der Wahrheitsfindung als auch zum Schutz des Beschuldigten. Ein Video gibt die Vernehmung authentisch wieder und sie wird nicht noch durch die Wahrnehmung des protokollierenden Beamten gefiltert. Für die Interpretation der Körpersprache sind Videoaufnahmen hilfreich, denn so kann auch im Nachhinein noch das Verhalten des Beschuldigten auf bestimmte Fragen oder Vorwürfe genau analysiert werden.
Insgesamt kann die audiovisuelle Aufzeichnung eine erhebliche Verbesserung für die Wahrheitsfindung bedeuten. Zu dem hat diese auch Vorteile für den Beschuldigten. Die Videoaufnahme schützt den Beschuldigten vor rechtswidrigen Vernehmungsmethoden deutlich besser als zuvor. Das Vorgehen des Vernehmungsbeamten wird genauso festgehalten wie die Aussagen des Beschuldigten. Auch für eine spätere Hauptverhandlung können die Aufnahmen vorteilhaft sein. Zwar können einem Beschuldigten getätigte Aussagen besser vorgehalten werden, anderseits stellen sie jedoch auch einen sicheren Nachweis dar, wenn der Beschuldigte vorgeworfene Aussagen so nicht getätigt hat.
Wann besteht eine Pflicht zur Aufzeichnung?
Wie die frühere Regelung enthält der neue § 136 Abs. 4 StPO eine Kann-Vorschrift, nach der Ermittlungsbehörden grundsätzlich Videoaufnahmen von der Vernehmung eines Beschuldigten machen dürfen. Neu sind aber drei Konstellationen in denen eine audiovisuelle Aufzeichnung stattfinden muss:
- dem Ermittlungsverfahren liegt ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde und der Aufzeichnung stehen weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegen,
- die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden oder
- der Beschuldigte unter 18 Jahren alt, also Jugendlicher ist.
Voraussetzungen für eine audiovisuelle Aufzeichnung
Damit die audiovisuelle Aufzeichnung zulässig ist, muss es sich um eine Vernehmung im engeren Sinne handeln. Somit sind beispielsweise bloße informatorische Anhörungen ausgeschlossen. Die Aufzeichnung hängt nicht vom Einverständnis des Beschuldigten ab. Dieser kann eine Aufzeichnung jedoch dadurch vermeiden, dass er die Aussage verweigert. Mindeststandards für die Aufzeichnung sind in der Gesetzesbegründung zu finden. Danach muss die Aufnahme den gesamten Verlauf der Vernehmung wiedergeben. Die Vernehmungsbeamten sollen Vorgespräche während der Aufzeichnung erwähnen und der Beschuldigte soll zum Abschluss der Vernehmung erklären, dass die Aufnahme die Vernehmung vollständig und richtig wiedergibt.
Audiovisuelle Aufzeichnungen in der Hauptverhandlung
Die Videoaufzeichnung ersetzt keine Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung! In der Hauptverhandlung wird die audiovisuelle Aufzeichnung wie ein Protokoll der Vernehmung verwendet. Somit kann immer dann wenn das Durchbrechen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zulässig ist und die Verlesung des Protokolls gestattet ist, nun die audiovisuelle Aufzeichnung verwendet werden.
Folgen des Fehlens einer audiovisuellen Aufzeichnung für die Revision
Aus dem Fehlen einer audiovisuellen Aufzeichnung kann man nicht der Schluss ziehen, dass die Vernehmungsförmlichkeiten nicht eingehalten wurden. Problematisch an der neuen Regelung ist, dass das Fehlen einer Aufzeichnung, die nach § 136 Abs. 3 StPO hätte erfolgen müssen, nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage im weiteren Verfahren führt. Dies bedeutet für die Praxis, dass ein Fehlen der Aufzeichnung keinerlei Konsequenzen hat. Ein ziemlich zahnloser Tiger!
Einzig wenn die Aufnahme bewusst willkürlich unterlassen wurde soll dies zur Unverwertbarkeit der Aussage führen. Hier darf man gespannt auf die Rechtsprechung warten.
Für mein Dafürhalten war diese Regelung schon lange fällig – wenn sie denn auch tatsächlich umgesetzt wird…
Das ist schwer, denn wenn jemand verurteilt sein soll, dann wird man sich alles daraus aussuchen was man zur Veruteilung gebrauchen kann und alles andere ignorieren.
Das wird jetzt auch schon so gemacht und wenn es so sein soll, dann bestätigen es alle Richterkollegen nacheinander.
Der Bevölkerung ist es völlig egal.
Man wird es sogar dazu benutzen, dass tatsächlich Recht- und Gerechtigkeit gesprochen wird.
4) 1Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. 2Sie ist aufzuzeichnen, wenn
1. dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2. die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
3§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.
Die Nummer mit den Jugendlichen gibt es in der StPO nicht. Wurde in veränderter Form ins JGG überführt