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Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes

Dem deutschen Strafrecht ist die Strafbarkeit von Unternehmen fremd (societas delinquere non potest) – nur natürliche Personen können strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) sieht allerdings schon heute Sanktionen gegen ein Unternehmen in Form einer Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro vor (§ 30 OWiG). Daneben erfolgt eine strafrechtliche Sanktionierung über Verfall und Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB.

In vielen anderen Ländern Europas, u.a. in Österreich, Irland, Island, Belgien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Slowenien, Malta, Ungarn, Estland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Polen, die Tschechische Republik und die Schweiz gibt es bereits eine Unternehmensstrafbarkeit im Sinne eines eigenständigen, gesetzlichen Sanktionswerkes. Auch in Schottland, Zypern, Spanien, den Niederlanden, Portugal oder Frankreich gibt es eine Art strafrechtliche Verantwortung von juristischen Personen. Dass sich dem auch Deutschland eines Tages anschließen wird, scheint sicher. Einen entsprechenden Entwurf hat bereits 2013 das Land Nordrhein-Westfalen vorgelegt.

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Kölner Entwurf für ein Verbandssanktionengesetz

Gestern veröffentlichte die Forschungsgruppe Verbandsstrafrecht, der die Kölner Professoren Martin Henssler, Elisa Hoven, Thomas Weigend sowie Prof. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg angehören, einen „Kölner“ Gesetzentwurf zum Unternehmensstrafrecht – hier als Verbandssanktionengesetz bezeichnet.

Die Verbandssanktion besteht danach in einer Geldzahlung (§ 4), die (teilweise) zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 5). Die Höhe der Geldzahlung darf 15 Prozent des Umsatzes des Verbandes nicht überschreiten; dabei ist der durchschnittliche Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre vor dem Ende der Hauptverhandlung, zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen ist auch der Umsatz von natürlichen Personen und Verbänden, mit denen der Verband eine wirtschaftliche Einheit bildet. Der Umsatz kann ferner auch geschätzt werden.

Ist der Verband wegen derselben Verbandsverfehlung bereits im Ausland mit einer Sanktion belegt worden, so wird diese bei der Bemessung einer Geldzahlung angerechnet.

Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer und Strafverteidigung

Für Verbandsverfehlungen sollen als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges die Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte (§ 74c GVG) zuständig sein. Die Verfolgung übernimmt nach §§ 152, 160 StPO die Staatsanwaltschaft, die unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Verfolgung absehen kann (§ 14).

Prozessual steht es den Vertretern des Verbandes nach § 17 frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Sie sind auch im Übrigen auch nicht verpflichtet, aktiv an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte des Verbandes sind zur Verweigerung des Zeugnisses über Ablauf sowie Ergebnisse interner Untersuchungen berechtigt. Aufzeichnungen darüber unterliegen nicht der Beschlagnahme.

In Verfahren wegen einer Verbandsverfehlung ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig (analoge Anwendung der §§ 141 ff. StPO für dessen Bestellung).

Ausblick

Über die Einzelheiten dieses Entwurfs zu einem Verbandssanktionengesetz wird man trefflich diskutieren können, etwa über die Sanktionierung von Auslandstaten und ob die Deckelung auf 15% ausreichend erscheint und warum gerade diese Größe gewählt wurde. Klar ist jedenfalls, dass diese Thematik auch in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen und Eingang in den Koalitionsvertrag finden wird.

Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes