Das Tragen eines mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ (abgekürzt wohl für „Fuck Cops“) beschrifteten Ansteckers ist im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht ohne weiteres strafbar. Maßgeblich ist der konkrete Bezug auf eine real-abgegrenzte Personengruppe.
Hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe
Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden und die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Kollektivbeleidigung bekräftigt. Eine Verurteilung wegen Beleidigung nach § 185 StGB setzt nämlich voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht – ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.
Im Einzelnen stellt das Bundesverfassungsgericht fest:
Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.
Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet2.
A.C.A.B. als Kollektivbeleidigung
Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts lässt sich auf die Abkürzung „A.C.A.B.“ („All cops are bastards“) übertragen, so dass eine Verurteilung in diesen Fällen zukünftig ebenfalls ausscheiden dürfte. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, ein Rechtsproblem „durch die Instanzen“ zu bringen, um so eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Demnach dürfte es in den vergangenen Jahren hunderte „Fehlurteile“ an Amtsgerichten gegeben haben, die die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit nicht ausreichend gewürdigt haben.
Zu beachten ist jedoch: Richtet sich die Beleidigung gegen einzelne Polizeibeamte, etwa durch Zurufen dieser Äußerung3, wird demgegenüber eine Beleidigung i.S.d. § 185 StGB vorliegen, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.
BVerfG, Beschl. v. 26.02.2015 – 1 BvR 1036/14
- BVerfGE 93, 266 [↩]
- vgl. BVerfGE 93, 266 [↩]
- vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 08.07.2008 – 1 Ss 329/08 [↩]
Das sollten Sie mal dem hier sagen!
http://www.schleckysilberstein.com/2015/04/mit-dusseldorfer-polizisten-fickt-man-nicht/
@Hansi Popansi: Aber das ist ein naderer Fall. Hier wird vorgeworfen mit der beanstandeten Parole mehrfach an den Einsatzkräften vorbeigegangen und Blickkontakt zu ihnen gesucht zu haben. Damit könnte aus der nicht beileidigungsfähigen Personenmehrheit „alle Polizisten“ die sehr wohl abgrenzbare Personenmehrheit „die hier eingesetzten Polizisten“ geworden sein. Im Fall des BVerfG trug die Beschuldigte die Parolen einfach nur in der Öffentlichkeit.
Das heißt ich darf mich mich vor ein Gericht stellen mit nem Schild
„Alle Richter sind …“?
Damit spreche ich ja grade ein kollektiv an und keine begrenzte Personengruppe.
Wie das wohl Disziplinarrechtlich endet wenn ich das an den Streifenwagen hänge. Bestimmt nicht gut ; )
Vorsicht vor zu weitgehender Interpretation der Entscheidung! Die bei einem Fussballspiel konkret eingesetzten Polizeibeamten könnten sehr wohl eine abgrenzbare beleidigbare Personenmehrheit sein. Die Entscheidung betrifft wohl nur das Zeigen im öffentlichen Raum.
@VRiLG: siehe Rn. 18 der oben zitierten Entscheidung
Bedenklich finde ich die Ausweitung der Sanktionen auf § 118 OWiG, nach dem Motto Strafbarkeit nein, aber der Sauhund muss ran. So etwa auch AG FFM vom 30.06.2014 941 OWi 858 Js 13940/14 ohne Erörterung des grundrechtlichen Gehaltes für das verdeckte Mitführen in ein Stadion einer 1312-Flagge. Bestätigt durch OLG FFM vom 29.08.14 2 Ss-OWi 730/14.