Eine Durchsuchung ist das Absuchen einer Person oder Sache nach bestimmten Gegenständen oder zum Auffinden von Personen. Der bekannteste Fall ist die Hausdurchsuchung, die sich gegen Verdächtige einer Straftat (§ 102 StPO) richten kann oder gegen Unverdächtige (§ 103 StPO). Grundsätzlich ist die Durchsuchung vor deren Durchführung durch einen Richter anzuordnen, was nicht nur die Erlaubnis für die Durchführung der Durchsuchung bildet, sondern diese zugleich auch begrenzt. Der Richter hat selbstständig und eigenverantwortlich die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Anordnung zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts und die Frage der Verhältnismäßigkeit.
Eine solche Durchsuchung ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn begründete Aussicht1 besteht, etwas beschlagnahmen zu können. Ansonsten ließe sich die Tatsachengrundlage, die die Durchsuchung rechtfertigen soll, gar nicht herstellen. Nicht selten sind jedoch Durchsuchungen, die beim näheren Hinsehen so ausgestaltet sind, dass „nach einer Mücke in der Hoffnung gesucht wird, gerade (vielleicht) einen Elefanten zu finden“. Die Ermittlungsbeamten suchen dann mehr oder weniger gezielt nach „Zufallsfunden“ oder sog. Zufallserkenntnissen.
Das Bundesverfassungsgericht2 hatte gerade im Mai dazu festgehalten, dass eine Durchsuchung einerseits in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen muss, sowie andererseits auf den Grad des Auffindeverdachts abzustellen ist. Bei einem nur vagen Auffindeverdacht bedarf die Verhältnismäßigkeit dieser Durchsuchung einer eingehenden Begründung:
Zwar wird durch die Verknüpfung des personenbezogenen Tatverdachts mit einem eher abstrakten Auffindeverdacht regelmäßig ein ausreichender Eingriffsanlass geschaffen. Die Vagheit des Auffindeverdachts kann allerdings gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sprechen und somit der Durchsuchung entgegenstehen. Die Durchsuchung muss daher im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck vor allem Erfolg versprechen. (…) Vor diesem Hintergrund hätte es vorliegend der Darlegung konkreter Anhaltspunkte bedurft, die die Erwartung hätten rechtfertigen können, dass sich (…) verfahrensrelevante Unterlagen auffinden lassen.
Was ist ein Zufallsfund?
Was Gegenstand der Durchsuchung ist begrenzt die Durchsuchungsanordnung. Als Zufallsfund ist danach jede rechtmäßig erlangte Beweisinformation zu bezeichnen, die im Strafverfahren zu einem Zweck verwendet wird oder verwendet werden soll, der nicht dem ursprünglichen, die Informationserhebung legitimierenden Zweck entspricht.3 Die gezielte Suche nach Zufallsfunden ist nach allgemeiner Auffassung unzulässig; natürlich erst recht, die Durchsuchungsanordnung als Vorwand zu missbrauchen, um systematisch nach solchen Gegenständen zu suchen, auf die sich die Anordnung nicht bezieht.4 Um allerdings überhaupt von einem Zufallsfund sprechen zu können, müssen gesuchter und gefundener Gegenstand entweder irgendwie korrespondieren oder man muss bei Durchführung der Durchsuchung regelrecht über den Zufallsfund gestolpert sein. Wenn etwa nach der Tatwaffe gesucht werden soll, können sich keine Zufallsfunde aus der Korrespondenz des Beschuldigten ergeben, da der Untersuchungszweck die Durchsicht dieser Papiere nicht rechtfertigte. Derartig gesuchte Zufallsfunde sollen stets unverwertbar sein, da es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens handelt.5
Auch die in Durchsuchungsanordnungen übliche Formulierung „insbesondere“ bedeutet keine Generalermächtigung für die Suche nach beliebigen Gegenständen. Dies gilt gerade auch für Computer, Smartphones u.ä., da dort einfache Recherchen faktisch der gezielten Suche außerhalb des eigentlichen Durchsuchungsgegenstandes nahe kommen (vgl. § 108 Abs. 3 StPO).
Verwertbarkeit von Zufallsfunden als Beweismittel
Ob Beweismittel, die nicht „bei Gelegenheit“ (§ 108 Abs. 1 StPO), sondern unter Verstoß gegen den Untersuchungszweck aufgespürt wurden, gerichtlich verwertet werden können, bestimmt nach überwiegender Ansicht die Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse einschließlich den Umständen eines hypothetisch gedachten rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs6 und dem Schutzbereich des Betroffenen.7 Danach kommt es maßgeblich darauf an, wie das Beweismittel erlangt wurde: Durfte eine Maßnahme nur bei bestimmten, schweren (Katalog-) Straftaten angewandt werden (vgl. § 100a Abs. 2 StPO für die Telekommunikationsüberwachung), so sind die daraus gewonnenen Zufallsfunde ebenso nur zum Beweis der schweren Straftaten verwertbar, wegen der die Maßnahme hätte angeordnet werden dürfen (§§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO). Ist eine Ermittlungsmaßnahme dagegen – wie etwa die Durchsuchung – bei jeder Straftat zulässig, so sind auch gewonnene Zufallsfunde unbeschränkt verwertbar (§ 108 Abs. 1 StPO).
Früchte des vergifteten Baumes (Fernwirkung)
Weitaus komplexer ist die Frage, wie weit ein Beweisverwertungsverbot von mittelbaren, sich aus dem Zufallsfund ergebenen Beweismittel gilt (Fernwirkung). Das betrifft den Fall, dass ein Zufallsfund nicht verwertbar ist, sich aus diesem aber weitere (mittelbare) Beweismittel ergeben (sog. Früchte des vergifteten Baumes). Diese werden grundsätzlich als verwertbar angesehen, ein Verwertungsverbot ergibt sich nur aus übergeordneten wichtigen Gründen des Einzelfalles, insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug. Das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers kann – muss indes nicht in jedem Fall – ein Verwertungsverbot nach sich ziehen8, es kommt dabei darauf an, ob in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wurde (jedenfalls keine Wahrheitsfindung um jeden Preis).
- Die bloße „Aussicht“, beweisrelevantes Material zu finden, genügt nicht; es bedarf konkreter Tatsachen, die den Auffindeverdacht stützen. [↩]
- BVerfG, Beschl. v. 13.05.2014 – 2 BvR 9/10 (NJW 2014, 2265 = HRRS 2014 Nr. 546) [↩]
- Grawe: Die strafprozessuale Zufallsverwendung – Zufallsfunde und andere Zweckdivergenzen bei der Informationsverwendung im Strafverfahren, S. 151 [↩]
- Meyer-Goßner/Schmitt: StPO (57. Aufl. 2014) § 108 Rn. 2 m.w.N. [↩]
- LG Bremen StV 1984, 595; LG Berlin StV 1987, 97, LG Wiesbaden StV 1988, 292 [↩]
- Theorie des sog. hypothetischen Wiederholungseingriffs (Hypothese der rechtmäßigen Alternativerlangung [↩]
- Eisenberg: Beweisrecht der StPO (7. Aufl. 2011) Rn. 2469 m.w.N. [↩]
- BVerfGK 16, 22 = NJW 2009, 3225 [↩]
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