Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einem Beschluss über einen Eilantrag vom 08.10.2021 noch einmal sehr deutlich zum Akteneinsichtsrecht des Verletzten positioniert. Diesem hat nämlich eine Anhörung des Beschuldigten vorauszugehen, was in der Praxis sehr häufig schlicht ignoriert wird. Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht aus:
In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Gewährung von Akteneinsicht nach § 406e Abs. 1 StPO regelmäßig mit einem Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschuldigten, namentlich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, verbunden ist und die Staatsanwaltschaft vor Gewährung der Akteneinsicht deshalb zu einer Anhörung des von dem Einsichtsersuchen betroffenen Beschuldigten verpflichtet ist. Die unterlassene Anhörung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, der durch die Durchführung des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nicht geheilt werden kann.
Mit Blick auf die Art und Weise der Anhörung sei hierbei zu berücksichtigen, dass es das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG gebiete, in einem gerichtlichen Verfahren grundsätzlich vor einer Entscheidung – umfassend – Gehör und damit Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Den Beteiligten muss die Möglichkeit gegeben sein, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten und durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen.
Bei unterlassener Anhörung auf BVerfG-Rechtsprechung hinweisen
Bekanntlich erschöpft sich der Anspruch eines Beschuldigten auf rechtliches Gehör nicht schon in der bloßen Gewährung – vielmehr muss das Gericht dessen Ausführungen auch zur Kenntnis nehmen und erkennbar in Erwägung ziehen.
In der Praxis unterbleibt die Anhörung vor der Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten regelmäßig. Bei den Staatsanwaltschaften scheint die Rechtsprechung nicht hinreichend bekannt zu sein, was dazu führen sollte, diese häufiger hieran zu erinnern.
BVerfG, Beschl. v. 08.10.2021 – 1 BvR 2192/21
Und wenn sich der Beschuldigte nicht äußert? Ich habe es regelmäßig mit Fällen zu tun, in denen sich der Beschuldigte im Ausland befindet und einen Antwortbogen zurückschicken soll. Dafür werden ihm in der Regel ca. 6 Wochen eingeräumt – mit der Option, gar nicht erst zu antworten…
Inwieweit wird das in der Sozialgerichtsbarkeit angewendet? Liegt in allen Gerichtszweigen dieses Recht vor und wird auch befolgt? Kann man dann immer das Verfahren neu eröffnen wegen Verfahrensfehler ?