Wir haben es geahnt und vor einigen Tagen bereits auf einen zu erwartenden „Show“-Prozess gegen Bundespräsident a.D. Christian Wulff hingewiesen: Eines Rechtsstaats unwürdig. Gestern gab die Staatsanwaltschaft eine Pressemitteilung1 heraus – mit Fotos der Wulff-Ankläger:
Damit hat nun auch die Boulevardpresse den Prozess, der am 14. November 2013 starten wird, für „sich entdeckt“ – folgender Aufmacher wird sicher nicht lange auf sich warten lassen:
„Die schöne Staatsanwältin klagt Bundespräsidenten an“.2
Eigentlich bislang undenkbar, standen die Staatsanwaltschaften wegen ihrer allzu ausufernden Pressearbeit immer häufiger in der Kritik.3 Man könnte fast annehmen, die Staatsanwaltschaft Hannover möchte das Strafverfahren medial etwas „anheizen“. Gehört das nun zur Aufgabe der Staatsanwaltschaft?
Mit der Zurverfügungstellung von Pressefotos ist es jedoch nicht getan, die Staatsanwaltschaft hielt es darüber hinaus für notwendig, eine Kurz-Vita sämtlicher involvierter Staatsanwälte und Sitzungsvertreter mitzuliefern. Fraglich ist, welchen Zweck die Staatsanwaltschaft in Hannover damit verfolgt. Ist sie nicht zur Zurückhaltung und Objektivität verpflichtet?
Es dürfte feststehen, dass durch eine derartig offensive Pressearbeit eine neue Eskalationsstufe der anwaltlichen Litigation-PR erreicht wird, die nun schon aus Gründen der „Waffengleichheit“ angezeigt sein dürfte. Insbesondere darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verteidigung des Angeklagten sich bislang äußerst zurückhaltend gezeigt und somit der Staatsanwaltschaft keinen Anlass für derartig offensive Pressearbeit gegeben hat.
Über diese Informationspolitik wird in den kommenden Tagen und Wochen noch zu reden sein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass kaum verbindliche Regelungen für diesen Bereich der staatsanwaltlichen Tätigkeit vorhanden sind.
- Die Pressemitteilung ging dabei nicht – wie sonst noch teilweise üblich nur an Medienvertreter – sondern ist hier online frei zugänglich. [↩]
- Die schönsten Headlines werden wir nach Erscheinen hier im Artikel verlinken. Hinweise auf Veröffentlichungen nehmen wir gern in den Kommentaren entgegen. [↩]
- vgl. Heghmanns, GA 2003, 433; Raschke, ZJS 2011, 38; Thesen zur Pressearbeit der Staatsanwaltschaft; Von „No Angels“ bis „Kachelmann“ – wie soll eine rechtmäßige und sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft aussehen? [↩]
„Bildrechte: Staatsanwaltschaft Hannover“ – ist also ein Staatsanwalt dort gleichzeitig professioneller Fotograf? Denn die Fotos sehen professionell aus. Man hat doch nicht etwa mit Steuergeldern einen Fotograf beauftragt für diese Litigation-PR?
Doch, sicherlich hat man. Und dann hat man dem Fotografen noch sämtliche Rechte abgekauft, inkl. dem üblicherweise recht teuren Recht auf Namensnennung des Fotografen (Urhebers). Es geht ja immerhin auch um eine Straftat mit einer Schadenssumme von ca. 700 Euro.
Mir werden Ihre Kritikpunkte nicht ganz klar.
Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft sind – gerade in einem Prozess mit einem solchen öffentlichen und Medieninteresse – Ausfluss der rechtlichen Verpflichtung der Staatsanwaltschaft als Behörde zur Auskunftserteilung an die Presse. Es ist ein Gebot der Fairness – und auch der Effizienz -, diese Auskünfte nicht telefonisch, per E-Mail oder schriftlich auf jeweilige Anfrage der Presseorgane zu erteilen, sondern an alle interessierten Presseorgane in gleicher Weise.
Inhaltlich sehe ich an der Presseerklärung auch wenig zu bemängeln. Es werden die Tatvorwürfe und deren rechtliche Würdigung – aus Sicht der Anklage – in der gebotenen Knappheit dargestellt und häufig gestellte Fragen beantwortet und erläutet.
Wer Medienarbeit insbesondere um öffentlichkeitswirksame Prozesse verfolgt, kann sich auch kaum ernsthaft fragen, „welchen Zweck die Staatsanwaltschaft in Hannover damit verfolgt“, wenn es um die Bereitstellung einer Kurz-Vita und von Lichtbildern geht. Die Fragen zumindest nach den Kerndaten – Name, Alter, Tätigkeit – werden regelmäßig am Rande der Sitzung an die Sitzungsvertreter gestellt, und auch Lichtbilder werden ggf. nachgefragt oder angefertigt. Dagegen können sich auch zumindest die in offizieller Funktion am Prozess Beteiligten, wie wir wissen, schon von Verfassungs wegen nicht wehren. Insofern spricht es von kluger Voraussicht, direkt geeignetes Bildmaterial zur Verfügung zu stellen, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass mehr oder weniger gut getroffene „Schnappschüsse“ veröffentlicht werden. Es liegt zudem nicht fern, dass entsprechende Presseanfragen vorliegen – die Medien personalisieren gerne: der Angeklagte, der Verteidiger, aber auch der Staatsanwalt und der Richter (von dem selbst dann regelmäßig in der Einzahl gesprochen wird, wenn es deren fünf in einer Kammer gibt). Diese dann in solcher Weise zu beantworten, ist m.E. gleichfalls nicht zu beanstanden.
Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaften ist in den letzten Jahren – mit Grund und zu Recht – davon geprägt, O-Töne und die Darstellung nicht einseitig der Verteidigung zu überlassen, sondern – mit der gebotenen Neutralität und Zurückhaltung – auch die Sicht der Strafverfolgungsbehörde einzubringen, damit auch in den Medien *beide* Seiten zu Wort kommen. Dazu gehört – obschon bislang wenig verbreitet – im Zweifel auch, die Vita der staatsanwaltschaftlichen Sachbearbeiter bzw. Sitzungsvertreter in der gleichen Weise darzustellen, wie sich Strafverteidiger bei öffentlichkeitswirksamen Mandaten zu präsentieren pflegen. Weniger – wie im Falle der letztgenannten – zu Werbezwecken, sondern um die notwendigen Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen, die auch die oft wenig informierte überregionale Presse bringen möchte.
Insgesamt richtet sich m.E. die Kritik an der Pressearbeit der Staatsanwaltschaften an den falschen Adressaten. Wenn eine ausufernde und Persönlichkeitsrechte verletztende Berichterstattung – nicht selten zu Recht! – als Problem empfunden wird, dann ist der richtige Ansatzpunkt dort: bei der Presse und den Medien. Es ist an uns – und am Gesetzgeber -, zu entscheiden, wie viel an Rechtsverletzungen und Boulevard wir zum Schutz einer freien Presse hinnehmen möchten. Dass Sensationsberichterstattung und bewusste Falschmeldungen der Skandalpresse nicht Ziel und Zweck, sondern allenfalls unvermeidbare Nebenfolgen der Pressefreiheit sind, dürfte kaum im Streit stehen. Wer dagegen mit den Mitteln des Zivil-, Verwaltungs- und Strafrechts, auch durch die Schaffung entsprechender wirksamer (!) rechtlicher Mittel, vorgehen möchte, der sollte das unbedingt tun. Der richtige Weg ist aber sicherlich nicht, an und für sich nicht zu beanstandende Pressearbeit von Behörden zu verbieten aus der – möglicherweise berechtigten – Angst, „die Presse“ würde sie (bewusst?) fehlinterpretieren oder daraus sensationslüsterne Schlagzeilen basteln. Was „die Presse“ tut, ist auch Verantwortung der Presse – nur der Presse. Auch eine mediale Hexenjagd erfolgt durch die Medien und liegt in der Verantwortung der Medien, nicht aber derjenigen – auch nicht der Behörden -, die die Presse sachlich (!) neutral (!) informieren.
Dabei darf man natürlich nicht übersehen, dass Behörden – und Gerichte – im Gegensatz bspw. zur Verteidigung oder Nebenklage einen neutralen Standpunkt einzunehmen und sich vor Vorverurteilungen zu hüten haben. Einseitige Pressearbeit und damit „Litigation PR“ im eigentlichen Sinne ist ihnen – im Gegensatz zu Verteidigung oder Nebenklage oder im Zivilprozess den Parteivertretern – zu Recht verboten. Manche Pressemitteilung ist unter diesem Gesichtspunkt fraglos missglückt – diese hier aber, soweit ich sehe, keineswegs,
Grundsätzlich halte ich es für wichtig und wünschenswert, dass Staatsanwaltschaften und – in geringerem Maße – auch Gerichte das mediale Feld nicht ausschließlich der Verteidigung (und vielleicht noch der Nebenklage) überlassen, sondern die Presse mit der gebotenen Neutralität, aber auch der ihnen in der Regel in größerem Maße eigenen Objektivität unterrichten. Es wird dennoch weiterhin genug Unsinn geschrieben werden …
Danke für Ihren Kommentar! Unsere Meinung liegt gar nicht so weit auseinander, über Sensationsberichterstattung hatte ich hier schon einmal etwas geschrieben:
http://www.strafakte.de/strafverteidigung/gerichtsberichterstattung-fotografen-fernsehen-im-gerichtssaal-fotos-von-angeklagten-und-verteidigern/
Die Form, in der StA Hannover hier „informiert“, kann aber nicht mehr als neutral betrachtet werden. Dies alles erfolgt nur in Hinblick auf den prominenten Angeklagten und nicht wegen des Tatvorwurfs. Schon damit verletzt die StA ihren Objektivitätsgrundsatz. Die Tatsache, dass die Fotos eben nicht von der Presse oder einer Presseagentur gemacht werden, sondern im Vorfeld von der StA zur Verfügung gestellt werden, ist nichts weiter als PR in eigener Sache, also Litigation-PR. Eben genau das ist aber nicht Sache der StA – schon gar nicht, wenn sich die Verteidigung eben zurückhält. Ansonsten könnte man noch den Standpunkt vertreten, dass die StA nicht schlechter gestellt werden dürfe als die Verteidigung und aus Gründen der „Waffengleichheit“ auch ein Recht auf prozessbegleitende Kommunikation haben sollte. Dies ist aber hier gerade nicht der Fall!
Durch die Art und Weise der Aufmachung der Pressemitteilung ist es geradezu ein Anreiz für die Boulevardpresse, den die StA frei Haus liefert. Wofür ist es sinnvoll, schon zwei Wochen vor dem Prozess zu wissen, wie die Sitzungsvertreterin aussieht? Bei jedem anderen Strafverfahren würde 14 Tage vorher nicht einmal feststehen, welcher Sitzungsvertreter zu einem solchen „kleinen“ Verfahren kommt.
Zusammengefasst geht die StA Hannover viel zu offensiv in die Presse- und PR-Arbeit, was gegen das Gebot zur Zurückhaltung verstößt. Dadurch wird der Fall und das Verfahren künstlich aufgebauscht. Nicht einmal bei so einem vergleichsweise „wichtigen“ Verfahren wie dem NSU-Prozess gab es solche Mitteilungen über die Beteiligten. Warum also hier?