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In jeder Hinsicht unverhältnismäßig und eines Rechtsstaates unwürdig

Am 14. November 2013 um 10:00 Uhr wird im Landgericht Hannover – Saal 127 – die öffentliche Hauptverhandlung gegen Bundespräsident a.D. Christian Wulff eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt ihn wegen des Verdachts der Vorteilsnahme in Höhe von ca. 700 Euro an, die der Filmfinanzier David Groenewold für ihn bezahlt haben soll. In einem Interview mit Martina Fietz („Focus Online“) zieht Wolfgang Kubicki über den Prozess gegen Wulff her.

Allein die Tatsache, dass der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer in Hannover insgesamt 22 Hauptverhandlungstage anberaumt hat – für den Vorwurf der Vorteilsannahme in Höhe von 700 Euro – sei eine Überschreitung dessen, was rechtsstaatlich noch als verhältnismäßig erscheine. Ein derartiges Verfahren könnte selbst bei einer so „herausgehobenen Persönlichkeit“ wie dem ehemaligen Bundespräsidenten an einem Tag abgehandelt werden. Für die Beweisführung der möglichen Vorteilsannahme würden zwei, drei Zeugen und einige wenige Stunden reichen, um in den Vorgang einzuführen und Urkunden zu verlesen. Hier solle jedoch ein „medialer Exzess“ stattfinden – zu Lasten des Angeklagten Christian Wulff, aber auch zu Lasten des Rechtsstaates.

Dies ist für Kubicki reine Willkür: Für 700 Euro Vorteilsnahme sei nach seiner Kenntnis mehr als ein Verhandlungstag nicht üblich. Dennoch: Die Art und Weise, wie mit ihm umgegangen werde, sei in jeder Hinsicht unverhältnismäßig und eines Rechtsstaates unwürdig.

Richter sowie Staatsanwälte sollten im Blick behalten, dass es nicht darum gehen kann, nun ein Mediengericht zu inszenieren, sondern darum, die Wahrheit zu erforschen und darauf tat- und schuldangemessen zu reagieren. Auch da gibt es ein Übermaßverbot – was im Fall von Christian Wulff überschritten worden sei. Pranger wurden im Mittelalter abgeschafft. Schauprozesse gibt es nur in Diktaturen. Dessen muss man sich bewusst sein, weil man ansonsten nicht nur die Axt an den Rechtsstaat anlege, sondern auch an die Demokratie. Niemand sollte glauben, er könne davon nicht betroffen sein. Es kann jeden treffen – und damit über das notwendige Maß hinaus auch zu Existenzvernichtung führen.

Das vollständige Interview ist in der Huffington Post Deutschland zu lesen.


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