Auch wenn uns die Corona-Krise jetzt noch fest im Griff hat, darf ein Ausblick erlaubt sein auf die Zeit und die Arbeit danach. Was wird sich verändern? Wie werden wir nach Corona arbeiten? Oder bleibt danach alles wie es vorher war – à la: Das haben wir schon immer so gemacht?
Digitalisierung in der Justiz
Vor allem in der Justiz sollte die Corona-Krise als Weckruf in Richtung Digitalisierung verstanden werden. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben! Das Konzept von Papierakten, die immer herumgereicht und mit der Post verschickt werden, steht der Möglichkeit zum HomeOffice klar entgegen. Andere europäische Länder haben es vorgemacht. In skandinavischen Ländern etwa gehört die digitale Strafakte längst zum Alltag in der Justiz und den Kanzleien.
Staatsanwälte und Richter müssen mit mobilen Geräten ausgestattet werden, die „von überall“ Zugriff auf E-Mails, Telefon (z.B. mit einem Headset) und natürlich die Aktenverwaltung sowie die Strafakten erlauben. Dazu ist es zwingend notwendig, dass Aktenvorgänge digitalisiert gesammelt und zusammengefügt werden. Zu 90% bestehen Akten aus Berichten der Ermittlungsbehörden, Vernehmungen und Aktenvermerken. Warum druckt man diese immer noch aus und heftet diese als Papier in eine Akte? Es gibt folglich gar keinen Grund, die Akten am Schluss einzuscannen, wenn man alle Vorgänge gleich konsequent digital erfasst.
Die Zukunft der Kommunikation erfolgt digital. Es kann nicht sein, dass das Fax im Jahr 2020 noch das Kommunikationsmittel Nr. 1 ist! Mangels eines funktionstüchtigen Anwaltspostfachs (beA) bleibt uns Rechtsanwälten aber wohl leider keine andere Wahl. Für kurze Absprachen, Rückrufbitten o.ä. müssen Durchwahlen und E-Mail Adressen der Staatsanwälte und Richter frei (Rechtsanwälten gegenüber) kommuniziert werden. Die Geschäftsstellen sind überlastet, warum müssen diese Geschäftsstellen dann noch jedes einzelne Telefonat abwickeln?
Ein Ende der Präsenzkultur
Diese Präsenzkultur bei Rechtsanwälten und in der Justiz ist so 1990. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert präsenzunabhängiges Arbeiten! Aus dem HomeOffice, vom Spielplatz oder von wo auch immer! Arbeit muss flexibler werden, zeitlich und örtlich. Die Digitalisierung ist natürlich Grundvoraussetzung hierfür. Und wenn es Tage gibt, an denen wir im HomeOffice unproduktiver sind, gibt es andere Tage, wo die Produktivität „durch die Decke“ geht. Fakt ist: Der Arbeitsanfall ist letztlich immer gleich und diese Arbeit muss erledigt werden. Warum sollte dann nicht mehr Flexibilität herrschen, wie man diese Arbeit erledigt?
Weniger Geschäftsreisen
Momentan ist der Reiseverkehr zum Erliegen gekommen: Züge sind leer, Flugzeuge bleiben am Boden. Und trotzdem dreht sich die Welt weiter. Hier sollte endlich ein Umdenken stattfinden. Geschäftsreisen können durch Videokonferenzen ersetzt und Fortbildungen öfter als bisher auch digital erfolgen. Ich möchte Mandanten häufiger im Videochat treffen – die Möglichkeit hierzu haben wir längst geschaffen. Einzige Ausnahme: Hauptverhandlungen.
Hauptverhandlung und Alternativen
Hauptverhandlungen im Strafrecht sind Präsenztermine. Der Einsatz von Videokonferenztechnik bietet sich hier nur begrenzt an, jedenfalls bleibt dies ganz ferne Zukunftsmusik. Warum allerdings nicht noch viel mehr Verfahren durch Einstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO oder Strafbefehl erledigt werden, bleibt mir gänzlich unverständlich.
Derartige Erledigungen würden die Justiz spürbar entlasten, stattdessen peitscht man unzählige Strafverfahren nach wie vor durch alle Instanzen. Oder anders formuliert: Was erst einmal unten beim Amtsgericht angeklagt ist, bleibt selten nur in dieser Instanz. Und wenn, dann endete das Verfahren in der Hauptverhandlung mit einer Einstellung. Das Ziel, die Justiz nachhaltig zu entlasten, kann nur gelingen, wenn die Staatsanwaltschaften nicht noch mehr Verfahren durch die Instanzen treiben. Ein Umdenken ist bei den Vorgaben an die Staatsanwälte erforderlich.
Die Justiz im Jahr 2020 kann sich nachhaltig ändern, wenn politisch die Schalter in Richtung „New Work“ umgelegt werden. Sonst stehen wir in der nächsten Krise vor denselben Fragen.