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Der Vorschlag der Woche

Die Gewerkschaft der Polizei scheint eine Kommission für – sagen wir – sonderbare Vorschläge eingerichtet zu haben. Der neuste dieser Art kommt von GdP-Bundesvize und NRW-Landeschef Arnold Plickert. Wie er der WAZ gegenüber äußerte, sollen geringfügige Straftaten „künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden“.

Legalitätsprinzip ad absurdum

Zu diesen geringfügigen Delikte könnten seiner Ansicht nach Beleidigung, Sachbeschädigung oder Schwarzfahren zählen. Der Vorteil (für die Polizei) liegt auf der Hand: Die Polizeibeamten müssten dann nicht mehr zum Einsatz kommen. Mit dieser Forderung reagiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf neue personelle Belastungen durch Terror und Kriminalität, aber auch durch drohende Pensionierungen. Wer allerdings die Polizeiarbeit machen soll bleibt offen.

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Die Peterwagen sollen demnächst häufiger in der Garage stehen bleiben.

Ermittelt werden soll dann zukünftig nur noch, wenn Mehrfach-Täter am Werk seien – andernfalls die Tat nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden: „Wir müssen das vom Verfahren her runterhängen“. Er setzt sich zudem dafür ein, den Missbrauch geringer Mengen weicher Drogen nicht mehr generell durch die Polizei zu verfolgen. Es bleibt die Frage: Wer soll es denn sonst tun? Das Ganze klingt nach einer großen Umverteilungsaktion der Arbeit weg von der Polizei.

Stimmungsmache zu Straftaten und ausländischen Jugendbanden

Zugleich warnte Plickert davor, dass in manchen Vorstädten im Ruhrgebiet die Lage inzwischen ähnlich wie in Berlin-Kreuzberg sei: Ausländische Jugendbanden signalisierten der Polizei: „Hier haben wir das Sagen, hier gilt kein deutsches Recht“. Die Polizei müsse deshalb konsequent gegen das Entstehen rechtsfreier Räume vorgehen. Da klingt es doch nach einer hervorragenden Idee, typische Jugenddelikte wie Sachbeschädigung oder Schwarzfahren (wobei man sich über die Sinnhaftigkeit dieses Straftatbestands ingesamt tatsächlich streiten kann) einfach nicht mehr verfolgen zu wollen. Man braucht kein Kriminologe zu sein, um vorauszuahnen, dass derartige Straftaten um einige zunehmen würden.

Und auch an die Politik hat der Mann der GdP noch einen guten Rat: Diese müsste – um die Lage zu entschärfen – auf die Einhaltung der Schulpflicht bestehen und wenn es nicht anders geht, notfalls auch das Kindergeld zu kürzen.


11 Kommentare zu “Der Vorschlag der Woche

  1. Wieso Umverteilung? Ich denke mal, es ist beabsichtigt, den Sachverhalt eher gar nicht mehr zu verfolgen. Wenn ich sehe, was die Staatsanwaltschaft im Moment so alles einstellt, haben die ein viel größeres Problem mit dem Legalitätsprinzip.

    • @RA Hellinger: Naja, auch wenn die Straftaten dann als OWi geahndet werden sollen, müssen die ja von irgendwem verfolgt werden – wahrscheinlich von der Ordnungsbehörde. Die werden personell aber sicher auch nicht besser ausgestattet sein …

    • Zumindest was den S@RA Hellinger:

      Es sollen allein etwa 50% eingestellt werden in Fällen wo eigentlich ermittelt werden müsste.

      Ganz besonders aber die Verfolgung wegen Worte (Wie schädigend sind Worte wirklich?) wird ausgiebig betrieben und wenn es um eigenen Interessen oder kritischer Worte geht noch viel mehr.

      Da hätten wir in in Deutschland etwa 200000 Ermittlungsverfahren wegen Worte aufgrund von Beleidigungen.
      In England wo man den Beleidigungsparagrafen mittlerweile fast ganz abgeschafft hat sind es etwa Null bis 2 Ermittlungsverfahren und es hat sich nichts geändert in der Bevölkerung.
      Da sagt der eine Engländer zum anderen: „Du Doofmann“ und der andere erwidert: „Du auch Doofmann“. Und damit ist die Sache erledigt aber nicht in Deutschland, denn da geht es dann erst richtig los und wenn der Doofmann Staatsjurist ist und dann am besten noch ein Staatsjuristenkollege, dann werdern keine Kosten auch von zehntausenden EUR gescheut.
      Und wer dann in den Genuss eines Schaufensterurteils vom BVerfG oder EGMR kommt, da wird dann sehr häufig die letzte Entscheidung wieder aufgehoben (In allen Instanzen zuvor wurde man natürlich und selbstverständlich verurteilt) und letztlich wird dann festgestellt, dass es sich nur um freie Meinungsäusserung handelte.

      Kann oder darf so etwas überhaupt sein in einem sogenannten Rechtsstaat?

      • @Rainer:

        Da sagt der eine Eng­län­der zum an­de­ren: “Du Doofmann” und der an­dere er­wi­dert: “Du auch Doofmann”. Und da­mit ist die Sa­che er­le­digt aber nicht in Deutsch­land

        Das stimmt nicht, bei wechselseitigen Beleidigungen kann (und wird) der Richter gem. § 199 StGB verfahren und die Sache einstellen.

  2. Das Problem liegt in der mangelnden finanziellen und personellen Ausstattung der Polizei. Hierauf wollte der Polizeigewerkschafter hinweisen.

    Es ist aber natürlich stets einfacher, auf vermeintlich dumme Beamte einzudreschen, als sich dem eigentlichen Problem zu widmen: die krasse Unterfinanzierung von Polizei und Justiz.

    • @Kalle:

      Das Pro­blem liegt in der man­geln­den fi­nan­zi­el­len und per­so­nel­len Aus­stat­tung der Po­li­zei. Hier­auf wollte der Po­li­zei­ge­werk­schaf­ter hinweisen.

      Um darauf aufmerksam zu machen darf man unsinnige, nicht umsetzbare Vorschläge machen? Bringen die einen irgendwie weiter? Tragen die zur Lösung des Problems bei?

      Natürlich ist die Polizei schlecht ausgestattet, aber mit solchen Vorschlägen ändert man daran nichts.

  3. Die Polizeigewerkschaften müssen sich in gewisser Weise ja auch loyal gegenüber der Politik im Allgemeinen und dem Innenminister im Besonderen verhalten, denn wisse:
    Es war doch schon immer so, daß wir den Menschen der die Tat benennt eher bestrafen, als denjenigen, der die Tat begeht.

    • @Herbert Kolthoff:

      Die Po­li­zei­ge­werk­schaf­ten müs­sen sich in ge­wis­ser Weise ja auch loyal ge­gen­über der Po­li­tik im All­ge­mei­nen und dem In­nen­mi­nis­ter im Be­son­de­ren ver­hal­ten

      Ernsthaft? Das ist das Selbstverständnis einer Gewerkschaft?
      Dann wird sich wohl nie etwas ändern …

  4. Das Opportunitätsprinzip gilt
    de facto im Strafrecht seit geraumer Zeit. Normalerweise
    passiert schlicht nichts, bei
    politischer Zweckmäßigkeit
    plötzlich erstaunlich viel.

  5. Bei Ordnungswidrigkeiten (z.B. zu schnell gefahren) werden zwei Polizeibeamten damit beschäftigt Amtshilfe zu leisten. Diese Beamten suchen dann den Schnellfahrer zu Haus auf, um den „Geblitzten“ zu identifizieren. Wenn der Übeltäter nicht zuhause ist, kommen die Beamten auch mehrfach mal vorbeischauen. Man kann den Eindruck gewinnen, dass bei der Ahndung solcher Delikte ein enormer Aufwand betrieben wird. Im Hinblick darauf, das Straftaten (Diebstähle oder sexuelle Übergriffe von Asylbewerbern) ungeahndet bleiben, weil die Polizei überlastet ist, bleiben für mich einige Fragen zur Verhältnismäßigkeit offen.

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