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Das Hoeneß-Urteil und die Zukunft der Selbstanzeige

Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II hat gestern im Verfahren gegen Ulrich Hoeneß ihr Urteil verkündet: Der Angeklagte wurde in sieben Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt. dpa meldet, dass die Kammer von keinem besonders schweren Fall gem. § 370 Abs. 3 AO ausgegangen ist – auch die Pressemitteilung des Gerichts erwähnt den besonders schweren Fall nicht. Dies ist sehr erstaunlich, denn von einem „großes Ausmaß“ i.S.d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO wird in diesem Fall zwingend auszugehen sein. Dieser soll bei einer Hinterziehungssumme ab 50.000 Euro bereits regelmäßig vorliegen (BGH NStZ 2012, 331).

Insgesamt 28,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern

Die 5. Strafkammer geht sogar von einer Steuerschuld in Höhe von 28,5 Millionen Euro aus. Die zuletzt genannte Summe von 27,2 Millionen Euro habe sich erhöht, weil noch Solidaritätszuschlag einberechnet werden müsse, sagte Richter Rupert Heindl in der Urteilsbegründung. Die nachzuzahlende Summe wird aufgrund der anfallenden Zinsen und des Strafzuschlages jedoch deutlich höher ausfallen – mindestens 50 Millionen Euro, schätzen Experten.

Ein Freispruch war zu keinem Zeitpunkt zu erwarten

Deutliche Worte fand der Vorsitzende zu den Spekulationen einer Verfahrenseinstellung: Diese war zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens zu erwarten. Die Selbstanzeige sei „nicht missglückt“, sondern von Anfang an als gescheitert anzusehen und konnte demnach allenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Mit den unvollständig vorgelegten Unterlagen konnte keine wirksame Selbstanzeige erstattet werden. Auch hier habe Hoeneß „gezockt“: „Sie hatten nicht alles, was sie brauchten, und haben es trotzdem riskiert“, sagte Heindl. Er habe viele Jahre Zeit gehabt, seine „Angelegenheiten in Ordnung zu bringen“. Das habe er aber nicht getan, „sondern auf Zeit gespielt“ und erst durch Recherchen des „stern“ und die bevorstehende Veröffentlichung eilig etwas zusammengestrickt. Ebenfalls nahm der Richter dem Angeklagten nicht ab, dass die Bank „quasi alles alleine gemacht“ habe und Hoeneß komplett den Überblick verloren hatte. Keine Rolle soll beim Strafmaß die besondere Lebensleistung des Uli Hoeneß gespielt haben, sie wurde in der Urteilsbegründung nicht einmal erwähnt.

An Hoeneß‘ Selbstanzeige wurde ein Exempel statuiert

Die Selbstanzeige ist eigentlich ein Elfmeter, der Schuss muss halt nur passen. Dafür fehlt dem Uli allerdings scheinbar jedes Talent. Auch dafür steht dieses Urteil: Eile ist kein guter Ratgeber, eine unwirksame Selbstanzeige kann ins Gefängnis führen. Die Anzahl der Selbstanzeigen wird in der Zukunft nach meiner Einschätzung trotzdem eher nicht abnehmen, dafür jedoch deutlich an Qualität zunehmen. Zukünftig werden sich „Steuersünder“ überlegen müssen, eine Selbstanzeige auf die lange Bank zu schieben. Die kurz bevorstehende Gefahr der Entdeckung macht es nahezu unmöglich, eine korrekte Selbstanzeige zu verfassen – das zeigt das Beispiel Hoeneß deutlich. Es steht zudem zu befürchten, dass die Politik weiterhin am Instrument der Selbstanzeige „herumschrauben“ wird, vielleicht diese eines Tages sogar ganz abschaffen wird. Bis zu einer solchen Ankündigung zu warten, dürfte ein schwerer Fehler sein – eine Selbstanzeige bedarf langer Vorbereitung und eines interdisziplinären Expertenteams aus Steuerberatern sowie Fachanwälten für Steuer- und Strafrecht.

Hoeneß akzeptiert das Urteil – keine Revision

Völlig überraschend hat Hoeneß heute Vormittag bekannt gegeben, den Schuldspruch und das Strafmaß des Landgerichts München zu akzeptieren:

Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen. Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung. Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich.

Zunächst einmal gebührt der Entscheidung größter Respekt – solche Einsicht und Demut hätten ihm viele nicht zugetraut. Noch gestern hatte sein Rechtsanwalt Hanns W. Feigen offenbar vorschnell die Revision angekündigt: „Wir sind sicher, dass der Bundesgerichtshof zu Ergebnissen kommen wird, die diesen Fall besser darstellen, als er hier vor der Kammer bewertet worden ist“. Die spannendste Frage lautet daher derzeit: Wird die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision einlegen? Sie hatte in ihrem Plädoyer einen besonders schweren Fall angenommen und ein um zwei Jahre höheres Strafmaß gefordert. Die Zeit der Ungewissheit ist für Uli Hoeneß demnach noch nicht vorbei. Der Bundesgerichtshof oder später das Bundesverfassungsgericht könnten im schlimmsten Fall verlangen, dass die genaue Summe der Steuerhinterziehung zu ermitteln ist (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Konsequenz dessen ist nicht abzuschätzen, es handelt sich auch um eine eher unwahrscheinliche Konstellation.

Sollte die Staatsanwaltschaft nicht innerhalb von einer Woche Revision einlegen, wird Hoeneß recht bald die Ladung zum Haftantritt in der JVA Landsberg erhalten – dort wird neben anderen Entbehrungen eine bundesligalose Zeit anbrechen, denn Bezahlfernsehen ist dort für Häftlinge (bislang) nicht erhältlich. Wann er dort Freigänger werden kann – was in Bayern nicht so üblich ist wie anderswo – kann nicht abgeschätzt werden. Sicherlich wird er recht bald wieder einer gut bezahlten beruflichen Tätigkeit außerhalb des Gefängnisses nachgehen, was den Freigang begründen könnte. Er müsste dann jedenfalls nur noch in der JVA übernachten.

[Der letzte Absatz wurde überarbeitet und der aktuellen Nachrichtenlage angepasst.]


8 Kommentare zu “Das Hoeneß-Urteil und die Zukunft der Selbstanzeige

  1. Wer weiss wieviel Steuerhinterziehung noch da war und schon verjährt ist.
    Evtl. hat man sich auch in einen informellen Deal bereits geeinigt gehabt falls noch mehr rauskommen sollte, damit man es gleich in einem Abwasch erledigt.

    Er wird wegen guter Führung vorzeitig entlassen und/oder erhält vorher schon Freigang.

    Hat er gute Beziehungen kann er sich auch über ein Gnadengesuch die Strafe vom Landesjustizministerium im Geheimen und ohne Begründung verkürzen lassen.
    Natürlich geht das in dem Fall bei einer Haftstrafe nicht so ganz einfach, weil die Öffentlichkeit hinschaut.

    • Mit Herrn Dr. iur. h.c. Strate ist davon auszugehen, dass vermutlich vor der HV alles in trockenen Tüchern war. Verfahrensdauer, unzureichende Beweisermittlung, Geständnis und Rechtsmittelverzicht sprechen dafür. – Andere Frage: Was haben eigentlich die Schöffen selbstgelesen? An einem Nachmittag 70.000 Seiten?

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