Heute beginnt das Strafverfahren gegen Anton Schlecker, seine Ehefrau Christa und die beiden Kinder Lars und Meike, ferner gegen zwei Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young. Die Stuttgarter Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität hat mehrere Jahre ermittelt und wirft dem einstigen Firmenchef in der 270-seitigen Anklageschrift 36 Fälle des Bankrotts (§ 283 StGB), davon 13 besonders schwere Fälle (§ 283a StGB) vor, durch die ein Schaden von 26 Millionen Euro verursacht worden sein soll. Zudem soll Schlecker den Zustand seines Unternehmens in den Jahresabschlüssen 2009 und 2010 falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht falsche Angaben gemacht haben. Dessen Ehefrau Christa sowie die Kinder sollen Beihilfe zum Bankrott geleistet haben, wobei sich die Kinder auch wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) sowie Untreue (§ 266 StGB) vor dem Landgericht Stuttgart verantworten müssen.
Wegen Bankrotts wird bestraft, wer bei Überschuldung oder (drohender) Zahlungsunfähigkeit Bestandteile seines Vermögens beiseite schafft, die bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören würden. Zunächst sind 26 Hauptverhandlungstage terminiert.
Noch ist vieles unklar im Fall Schlecker
Wie immer in solchen Umfangsverfahren ist eine Prognose hinsichtlich Verfahrensdauer und zu erwartender Strafe schwierig. Für Bankrott in einem besonders schweren Fall sieht § 283a StGB einen Strafrahmen bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe vor. Selbst wenn sich nicht alle 36 Fälle nachweisen ließen, sieht es trotz erstklassiger Besetzung der Verteidigerbank eher nicht nach einer Bewährungsstrafe für den 72-jährigen aus – zutreffend kann dies via „Ferndiagnose“ allerdings kaum beurteilt werden. Es dürfte aber ohnehin nicht vor Herbst 2018 mit einem rechtskräftigen Urteil zu rechnen sein, sofern es keine Überraschungen wie im Fall Hoeneß geben sollte.
Die Verteidigung könnte argumentieren, dass Schlecker bis zum Schluss daran geglaubt habe, sein „Lebenswerk“, welches seinen Namen trägt, retten zu können. Es wird insbesondere um die Frage gehen: Ab welchem Zeitpunkt wusste Schlecker von der drohenden Zahlungsunfähigkeit, welche Verträge durfte er dann noch eingehen, welche Zahlungen dann noch anweisen?
Fragwürdige Geldverschiebungen im Vorfeld der Insolvenz
Über Geldverschiebungen Schleckers im Vorfeld der Insolvenz hatte die Staatsanwaltschaft bereits im November 2015 berichtet, Monate bevor Anklage erhoben wurde. Demnach soll es unter anderem um ein Geldgeschenk in Höhe von 800.000 Euro gehen, das der Unternehmer noch im März 2011 seinen Enkelkindern zugute kommen ließ. Bereits einen Monat später, im April 2011, soll Schlecker einen Privatkredit in Höhe von 30 Millionen Euro erhalten haben, zu einem Zeitpunkt, zu dem er für Banken längst nicht mehr kreditwürdig war.
Über überteuerte Verträge mit dem Logistikunternehmen LDG, dessen Gesellschafter Lars und Meike Schlecker waren, soll Anton Schlecker ferner insgesamt rund 16 Millionen Euro an seine Kinder verschoben und damit dem Zugriff der Gläubiger entzogen haben. Zudem bewertet die Staatsanwaltschaft Posten wie eine Luxusreise nach Antigua für 58.000 Euro, Beraterhonorare für Christa Schlecker in Höhe von 71.000 Euro sowie eine Gewinnausschüttung der LDG in Höhe von sieben Millionen Euro als strafbares Beiseiteschaffen von Vermögenswerten.
Mit dem aktuellen Strafverfahren ist die Aufarbeitung jedoch noch längst nicht abgeschlossen, denn das Finanzamt Ehingen erhebt Steuernachforderungen in Höhe von 68 Millionen Euro aus Kapitalerträgen infolge verdeckter Gewinnausschüttung gegen Meike und Lars Schlecker.
Weiterführende Informationen: Beiseiteschaffen im Sinne der Bankrottvorschriften