Der Prozess gegen Uli Hoeneß hätte für ihn nicht schlechter beginnen können. Statt der bisher angeklagten 3,5 Millionen Euro hat er nach seiner eigenen Einlassung zu Prozessbeginn eher 18,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen. Sein Anwalt Hanns W. Feigen erklärte auf Nachfrage allerdings, auch bei dieser Zahl handele es sich nur um eine Schätzung: Es könnten 12, 15 oder sogar 20 Millionen Euro sein, die zu den 3,5 Millionen hinzukämen. In der Woche vor dem Prozess habe man dem Gericht und den Finanzbehörden ca. 70.000 Blatt weiterer Unterlagen zur Verfügung gestellt, aus denen sich der genaue Umfang ergeben soll.
Eine katastrophale Eröffnung eines solchen Prozesses, die nicht nur den Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger nicht gut aussehen lässt. Mehrmals harschte dieser seinen Mandanten gestern an, er solle keinen vom Pferd erzählen oder ihm seien die Gäule durchgegangen und zeigte sich damit sichtlich genervt. Ob dem Verteidiger bei Mandatsübernahme bewusst war, auf was er sich einlässt? Dass sich dieser Prozess nicht zum größten Triumpf, sondern vielleicht eher zur bislang größten Niederlage entwickeln könnte?
Die Lebensleistung des Uli Hoeneß stellt sich nun anders dar
Soviel steht nach dem ersten Verhandlungstag fest: Es gibt nicht mehr viel, was man zugunsten von Uli Hoeneß in die Waagschale werfen könnte. Seine „Lebensleistung“ stellt sich komplett anders dar als noch gestern, von einer „überwiegenden Steuerehrlichkeit“ könne keine Rede mehr sein. Die insgesamt 50 Millionen Euro ehrlich gezahlter Steuern übertreffen die in zehn Jahren hinterzogenen Steuern im Umfang von 18,5 Millionen nicht mehr wesentlich. Die Selbstanzeige war nicht annähernd vollständig und dürfte somit als ungültig gelten. Es ist dann auch unerheblich, ob die Steuerhinterziehung durch die „stern“-Recherchen schon entdeckt war. Es ist ohnehin erstaunlich, dass die Behörden trotz Hausdurchsuchung und umfangreicher Ermittlungen nicht selbst auf die weit höhere Hinterziehungssumme gestoßen sind. Hatte Hoeneß sich doch besonderer Strukturen bedient, um seine Aktivitäten zu „verschleiern“?
Nachtragsanklage oder lediglich rechtlicher Hinweis?
Staatsanwaltschaft und Gericht werden jedenfalls nunmehr alles daran setzen, die zusätzlichen 15 Millionen Euro mit in diesen Prozess einfließen zu lassen. Ich glaube nicht einmal, dass eine Nachtragsanklage (§ 266 StPO) notwendig wird. Die Anklageschrift stellt auf die Jahre von 2003 bis 2009 und die in diesen Zeiträumen verschwiegenen Einkünfte ab. Damit sind die Taten ausreichend umrissen, das Urteil kann sich gem. § 264 StPO darauf als einheitliche Tat stützen. Mit einem rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO könnte auf die straferhöhenden Umstände (die erst in der Hauptverhandlung zutage getreten sind) hingewiesen werden.
Dass man wohl nicht mehr mit einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe rechnen können wird, bedarf bei diesen Hinterziehungsummen wohl keiner weiteren Erläuterung. Zwar wird es sicher noch zum Bundesgerichtshof gehen, aber dann heißt es: Herzlich Willkommen in Stadelheim.
Lieber Herr Kollege Laudon,
mir ist nicht ganz klar, warum ein rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO erforderlich sein soll.
Auf straferhöhende Umstände ist nach Abs. 2 hinzuweisen, wenn diese Umstände eine gesetzlich bestimmte Strafschärfung betreffen. Herr Hoeneß ist in sieben Fällen wegen Steuerverkürzung in großem Ausmaß angeklagt worden, was nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO einen besonders schweren Fall darstellt. Denn eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes liegt regelmäßig schon bei einer Steuerverkürzung i.H.v. EUR 50.000,- für einen Veranlagungszeitraum vor. Zwar sind jetzt im Rahmen der Beweisaufnahme weitaus höhere Zahlen zu Tage getreten. Die Schwelle für einen besonders schweren Fall war aber bereits durch den angeklagten Sachverhalt überschritten.
Nach Meyer-Goßner, § 265 Rz. 23 genügt es, wenn der Angeklagte aus dem Gang der Verhandlung erfährt, dass das Gericht von neuen tatsächlichen Anhaltspunkten ausgehen wird. Hiervon muss der Angeklagte eindeutig, umfassend und unmissverständlich unterrichtet werden.
Lt. SPON hat Richter Heindl zu erkennen gegeben, von den neuen Zahlen der Steuerfahnderin ausgehen zu wollen. Die Verteidigung hatte damit Gelegenheit, die geänderte Sachlage zu prüfen und ggf. Beweisanträge zu stellen oder Beweiserhebungen anzuregen.
Hierauf scheint die Verteidigung verzichtet zu haben. Damit kann der neue Sachverhalt dem Urteil zu Grunde gelegt werden. Ein förmlicher Hinweis nach § 265 StPO war nicht erforderlich.
Die ganzen Fakten waren Dienstag früh, als ich den Artikel geschrieben habe, noch gar nicht bekannt. Sie zeigten sich erst in dem weiteren Verlauf am Dienstag und heute. Danke für Ihre Hinweise!
…aber die Anklageschrift mit den sieben besonders schweren Fällen gab es doch schon Montag?
Das ist richtig. In dem Punkt haben Sie Recht. Ich wollte in erster Linie herausstellen, dass keine Nachtragsanklage notwendig werden würde.