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Deal: Angeklagter muss vor Zustimmung belehrt werden

Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 26. August 2014 erneut mit der Verständigung im Strafverfahren (Deal) und stellt dazu fest, dass die in § 257c Abs. 4, 5 StPO gesetzlich vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung nicht nur vor seinem Geständnis, sondern bereits vor seiner Zustimmung zu der Verständigung erfolgen müsse.

Pflicht zur Belehrung vor Zustimmung zur Verständigung im Strafverfahren

Dies folge aus dem Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass jeder Angeklagte über die Mitwirkung im Strafverfahren frei entscheiden könne. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist auf Verfassungsrang im Rechtsstaatsprinzip verankert und führe dazu, dass der Beschuldigte frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können müsse, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirke. Eine Verständigung sei ohnehin nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Nur so sei gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden könne, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch mache oder sich auf eine Verständigung einlasse.

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Beruhen bei Verstoß gegen die Belehrungspflicht grundsätzlich gegeben

Wird der Angeklagte erst nach seiner Zustimmung zu der Verständigung belehrt, beruhen sein Geständnis und das Strafurteil grundsätzlich auf dieser Grundrechtsverletzung. Für eine anderweitige Beurteilung im Einzelfall müsse das Revisionsgericht konkrete Feststellungen treffen.

Im konkreten Fall – 5 StR 253/13 – habe der Bundesgerichtshof die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht für die betroffenen Grundrechte verkannt. Der 5. Strafsenat in Leipzig schloss ein Beruhen des Geständnisses (und damit des Urteil des Landgerichts Berlin) auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus, weil nach Ansicht des Strafsenats davon auszugehen war, dass der Beschwerdeführer dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung so abgegeben hätte. Indes beruhte die Schlussfolgerung nicht auf Feststellungen, die die Willensbildung des Beschwerdeführers konkret in den Blick nehmen.

Vielmehr liege darin die generalisierende Annahme zugrunde, dass ein anwaltlich verteidigter Angeklagter jedenfalls dann nicht mehr unter dem Eindruck der – zunächst ohne Belehrung – geschlossenen Verständigung stehe, wenn das nach einer Überlegungsfrist von einer Woche abgelegte Geständnis unter Mitwirkung des Verteidigers entstanden ist und er die Verständigung selbst initiiert hat. Eine solchermaßen vom Einzelfall losgelöste Prüfung, ob das Urteil auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht beruht, sei mit dem oben genannten Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht in Einklang zu bringen.

BVerfG, Beschl. v. 26.08.2014 – 2 BvR 2048/13


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