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Nachwehen der bayrischen Justiz im Todesfall Rudi Rupp

Heute wird der – vermutlich – letzte Prozess im Zusammenhang mit dem Fehlurteil im Todesfall Rudolf Rupp vor dem Landgericht Landshut stattfinden. Es ist ein letztes Aufbäumen der Justiz, die in diesem Fall auf ganzer Linie versagt hat – schlimmer als das Versagen ist nur noch, dass man sich dieses nicht eingestehen will. Ein weiterer bayrischer Justizskandal.

Es klingt unglaublich, was heute Gegenstand des Berufungsverfahrens ist: Ein Schrotthändler hatte ausgesagt, ein Vernehmungsbeamter der Kriminalpolizei Ingolstadt habe ihm die Dienstpistole an den Kopf gehalten und dadurch erzwingen wollen, dass er ein Vernehmungsprotokoll unterschreibt. Daraufhin landete nicht etwa der Polizeibeamte auf der Anklagebank, sondern der Schrotthändler wegen Falschaussage. In erster Instanz wurde der Mann freigesprochen, was die Staatsanwaltschaft Ingolstadt veranlasste, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Rudi Rupp – ein bayrischer Justizskandal

Der Fall Rudolf Rupp ist ein Paradebeispiel für das Versagen von Polizei und Justiz. Im Oktober 2001 verschwand der Landwirt aus Neuburg-Heinrichsheim spurlos. Die Polizei ging von einem Verbrechen aus und suchte lange ergebnislos nach Tatverdächtigen. Zwei Jahre später wurde die Familie Rupp festgenommen, ebenso der Verlobte einer der beiden Töchter von Rudi Rupp. Mutmaßlich durch diesen großen Fahndungsdruck veranlasst, konstruierte die Kriminalpolizei Ingolstadt eine abenteuerliche Geschichte: Die Familie soll gemeinsam den Landwirt zunächst in seinem Haus erschlagen, dann die Leiche zerstückelt und den vielen Hunden auf dem Hof zum Fraß vorgeworfen haben. Dass es dafür keinerlei Sachbeweise gab und trotz modernster Technik nirgends Blutspuren gefunden wurden, ließ die Polizei und Justiz nicht zweifeln.

In einem Indizienprozess wurden die Angeklagten schuldig gesprochen und zu langen Freiheitsstrafen verurteilt. Alles schien geklärt – bis fünf Jahre später Polizeitaucher das Auto mitsamt der Leiche von Rudi Rupp hinter dem Steuer aus der Donau bargen. Spätestens jetzt war klar, dass sich die Tötung – falls es denn überhaupt eine gewesen ist – sich nicht so zugetragen haben kann, wie es im Urteil festgestellt wurde. Das Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Landshut endete mit einem Freispruch für alle Angeklagten.

Berufungsprozess wegen vermeintlicher Falschaussage

In diesem Wiederaufnahmeverfahren erhob der Schrotthändler damals schwere Vorwürfe gegen die Ermittler. Sie hätten den Mann zu dem Geständnis drängen wollen, den Mercedes des Landwirts heimlich verschrottet zu haben – also den Wagen, der später aus der Donau geborgen wurde. Um den Beschuldigten zur Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll zu bewegen, soll ihm ein Beamter mit den Worten „Wir können auch anders!“ seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten haben. Trotzdem richtet sich der neuerliche Prozess nicht etwa gegen den Beamten, sondern dem einst Beschuldigten wird nun eine falsche uneidliche Aussage vorgeworfen. Denn natürlich konnte sich keiner der anderen Vernehmungsbeamten an eine derartige Situation erinnern, wie sie von dem Zeugen im Wiederaufnahmeverfahren geschildert wurde.

Überhaupt schienen die vermeintlichen Einlassungen der Familienmitglieder, sachverständig festgestellt allesamt minderbegabt, nur durch enormen Vernehmungsdruck und suggestive Befragungen zustande gekommen zu sein. Man könnte sagen, das gesamte Tatgeschehen sei den Beschuldigten von der Polizei „in den Mund gelegt“ worden. Äußerst eindrucksvoll rekonstruiert „Spiegel TV“ den Fall anhand von Polizeivideos:


Video bei YouTube für Geräte ohne Flash-Player

Die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Landshut im Dezember 2012 förderte unterdessen Bezeichnendes zutage: Eine Polizeibeamtin sagte aus, sie habe dem Schrotthändler einen extra harten Stuhl hingestellt, damit er während der langen Vernehmung unbequem sitze. Ihr Kollege, der angeblich die Pistole gezogen hatte, weigerte sich anzugeben, mit wem er seine dienstliche Stellungnahme abgesprochen hatte. Schließlich ließ der damals zuständige Staatsanwalt den Beschuldigten lediglich als Zeugen vernehmen, um ihm dadurch seine Rechte als Beschuldigter vorzuenthalten – eine überaus häufig anzutreffende Methode. Da passt die grobe sprachliche Entgleisung im Plädoyer der Staatsanwaltschaft perfekt ins Bild, in der der Angeklagte wörtlich als „Abschaum der Gesellschaft“ bezeichnet und eine Strafe von 20 Monaten ohne Bewährung gefordert wurde. Der Richter möge heute die passenden Worte finden.


6 Kommentare zu “Nachwehen der bayrischen Justiz im Todesfall Rudi Rupp

  1. Was ist mit dem kriminellen Kriminaler passiert? Ist er befördert worden, wie es in so einem Fall üblich ist?

    • @derRösrather: .
      Justiz ist keine Justiz mehr wenn die Justiz eine Straftat begeht und alles Fein unter dem Teppich kehrt wir sind Menschen und machen Fehler dafür muss man gerade stehen als Richter er sollte sein Status als Koch versuchen mit mehreren Menüs in der Speisekarte.

  2. Zwischen dem Todesfall Rudi Rupp und dem Fall des Manfred Genditzki gibt es zahlreiche Parallelen: In beiden Fällen handelt es sich in Wahrheit um einen tödlichen Unfall. In beiden Fällen wird der tödliche Unfall erst durch den Verfolgungseifer bayerischer Behörden wahrheitswidrig zu einem „Mordfall“ aufgebauscht. In beiden Fällen stellt sich die Öffentlichkeit mit einigem Verwundern die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass Unschuldige verurteilt wurden und eine Haftstrafe verbüßen mussten. In beiden Fällen lagen, rückblickend betrachtet, für eine Täterschaft der Angeklagten keinerlei stichhaltige Beweise vor. In beiden Fällen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der betreffende Justizskandal nicht rein zufällig gerade in Bayern, und in keinem anderen Bundesland, spielte.

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