Die „me too“-Debatte – oder sollte man sagen Kampagne? – ist noch nicht lange verhallt, da treibt sie hässliche Blüten in Form eines neuen Gesetzes, das Sexualpartnern eine Einwilligung abverlangt: Das sogenannte Einverständnisgesetz ist seit gestern geltendes Recht in Schweden.
Dass mediale Kampagnen kein guter Ratgeber für den Gesetzgeber sind, sollte den meisten klar sein. Allzu häufig diktieren dann eine Lobby den Gesetzestext. Klar regelt dieses Gesetz zwar nur, was ohnehin selbstverständlich sein sollte: Sex muss freiwillig sein. Aber dies wird in praktischer Hinsicht viele Fragen und Unklarheiten auf und bringt vor allem Beweisschwierigkeiten mit sich.
Was bedeutet Ja heißt ja?
In Deutschland gilt seit zwei Jahren „Nein heißt nein“. Unter Strafe gestellt sind sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen des Sexualpartners. Wird also deutlich, dass der andere keinen Sex will, handelt es sich je nach Intensität um einen sexuellen Übergriff, um eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung im Sinne des § 177 StGB. Es ist nicht erforderlich, dass man sich ausdrücklich rückversichert, ob der Sex aktuell gewünscht ist, sondern derjenige, der ihn ablehnt, muss dies deutlich machen. Das kann man meines Erachtens erwarten, immerhin zwei mündige Menschen an der Sache beteiligt. Wer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht, gilt auch in Deutschland als nicht einwilligungsfähig und ist somit besonders geschützt.
In Schweden sieht die Lage nun anders aus: Auch wenn der eine Partner beim Sex zwar bei vollem Bewusstsein war und sich lediglich „passiv“ verhielt, kann dieser im Nachhinein geltend machen, nicht eingewilligt zu haben. Die Konsequenz: Der Sexualpartner könnte wegen dieser Sache, die dann als Vergewaltigung gelten würde, zu einer Haftstrafe verurteilt werden.
Dies wirft in praktischer Hinsicht, wie sich jeder vorstellen kann, erhebliche Probleme auf: Wenn später unklar ist, ob derjenige ausdrücklich „ja“ gesagt oder aktiv signalisiert hat, jetzt sexuell verkehren zu wollen, droht eine Haftstrafe. Nun könnte man meinen, wie oft soll so etwas schon vorkommen, dass hinterher darüber kein Einvernehmen besteht, ob der Sex beidseitig gewollt war – dies kommt viel häufiger vor, als man denken sollte. Jeder auf das Sexualstrafrecht spezialisierte Verteidiger kann unendlich viele Geschichten davon erzählen.
Wie kann man Einverständnis dokumentieren?
In Schweden beginnt nun die Debatte, wie man das gegenseitige Einverständnis dokumentieren kann, um auch noch Jahre später beweisen zu können, dass beide dies vollumfänglich wollten. Die Rechtsanwältin Baharak Vaziri hat deshalb eine kostenpflichtige Smartphone-App namens „Libra“ entworfen, bei der jeder auf seinem Gerät seine generelle Zustimmung erteilt und diese dann gespeichert wird. Da kommt es aber schon wieder zu dem Problem, dass nicht konkret festgelegt wird, auf welche sexuellen Handlungen sich dieses Einverständnis konkret bezieht.
Das analoge Pendant dazu ist in Deutschland die „Fummelvereinbarung“, die wahrscheinlich aus einem Scherz heraus entstand. Hier wird in Vertragsform genau festgelegt, was nachfolgend passieren soll. Aber auch hier bleibt die Problematik: Was passiert, wenn sich einer der Vertragspartner zwischendrin umentscheidet? Von einer Dokumentation durch Videoaufnahmen zur Vermeidung einer Falschbeschuldigung ist aber dringend wegen § 201a StGB abzuraten.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses „schwedische Modell“ eine Ausnahmeerscheinung bleibt. Aufgrund der immer bestehenden Beweisschwierigkeiten kann weder ein „ja“, noch ein „nein“ am Ende zweifelsfrei bewiesen werden, allenfalls in seltenen Ausnahmefällen. Es bleibt daher nur eine praktikable Lösung: Aufstehen und gehen.
In der Natur gibt es kein konkludentes handeln:
Eine Lichtquelle wird auch nach 1 Mio mal abschalten beim 1Mio und 1ten mal nicht verlöschen wenn man sie mal NICHT abschaltet.
A:“Willst „Du“ Sex?“ – ich (B) sage nichts. Somit ist ein Handeln von A in dieser Richtung nicht legitim. A: „Willst „Du“ keinen Sex?“ – Ich (B) sage nichts. Wieder ist ein Handeln von A in dieser Richtung nicht legitim.
Anderenfalls müssten Sie ein Airbus A380 käuflich erwerben wenn ich Ihnen diesen anböte und sie nicht ausdrücklich ablehen würden.
Ich sehe das eher binär:
0= „keine Aussage“ – „Kein handeln“
1= „Aussage in Richtung…“ – „Handeln oder unterlassen des selben“
(Wollen „Sie“ geschlagen werden? (Konkludentes handeln sagt „JA“ wenn ich nicht ausdrücklich ablehene —-> Hahnebüchender MIST!)
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Meine Meinung(!), die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit/Richtigkeit oder Absolutheit erhebt !
@Horst: In dieser „binären“ Eindeutigkeit läuft es aber in der Realität nun einmal nicht ab. Da sind Alkohol und Drogen im Spiel, da kommt eines zum anderen. Niemand fragt ausdrücklich „Willst Du Sex?“. Dass diese unterbliebende Frage nun aber für den einen Partner Gefängnis bedeuten soll, ist eine nicht zu rechtfertigende Rechtsfolge, wenn der andere Partner wiederum die Gelegenheit gehabt hätte, ausdrücklich „nein“ zu sagen oder dies anderweitig zu verdeutlichen.
@Strafakte.de: Das Problem ist der Beweis: Es wird wohl kaum Zeugen geben und einen schriftlichen Vertrag werden die beiden Partner – oder soll ich sagen „Kontrahenten“ – ebenfalls nicht abschließen…
Unsere Tochter wurde vergewaltigt und brachte das zur Anzeige. Der zynischste Kommentar kam von der ermittelnden Staatsanwältin: Es hat war Sex gegeben, aber das war sicher auf freiwilliger Basis mit unangenehmen Praktiken für die Geschädigte! Es wurde keine Anlage erhoben! Seit 2 Jahren kämpfen wir darum. Trotz vorliegender Beweise, Fälschung der Aussagen unserer Tochter, Manipulation des DNA Tests (vom LKA in einem Schreiben quasi bestätigt, etc.), versucht man weiter die Straftat des Vergewaltigers und Beamter (Strafvereitlung, Fälschung) zu vertuschen!
@Wutschke Joachim: Das mag im Einzelfall schwer zu ertragen sein, aber egal welchen Ansatz man wählt, es bleiben die Beweisprobleme. Daran hat „nein heißt nein“ nichts geändert und auch „ja heißt ja“ würde daran nichts ändern. Persönlich kann ich Ihnen nur raten, sich einen qualifizierten Rechtsbeistand zu suchen.