Der „Bosbach“ zählt zu den Klassikern der Anwaltsliteratur für das Ermittlungsverfahren, mit dem vor nunmehr 30 Jahren die Reihe „Praxis der Strafverteidigung“ den Anfang nahm. Das Ermittlungsverfahren wurde in seiner Bedeutung für die Verteidigung lange unterschätzt, bis Peters in seinen „Fehlerquellen im Strafprozess“ feststellte, dass bereits im Ermittlungsverfahren die Weichen auf das richtige (oder falsche) Urteil gestellt werden. Dadurch war gewissermaßen auch schon der Grundstein für dieses Buch gelegt. Nach heutigem Verständnis ist das Ermittlungsverfahren jedenfalls zentraler Bereich der Wirkkraft einer effektiven Verteidigung, wozu dieses Werk maßgeblichen Beitrag geleistet hat.
Das Praxisbuch vermittelt den unerlässlichen Grundbestand dessen, was jeder Berufsanfänger unbedingt wissen sollte. Beginnend bei der Mandatsanbahnung und -übernahme, bei Honorarfragen über die Führung der Akten, der Informationsbeschaffung bis zur erfolgsversprechenden Verteidigungsstrategie sowie der Verteidigung gegen Zwangsmaßnahmen bildet das Werk eine verlässliche Wegweisung durch die Strafverteidigung im Ermittlungsverfahren. Dabei eignet sich das Werk keineswegs nur für junge Rechtsanwälte, denn häufig werden auch von erfahrenen Kollegen die Möglichkeiten im Ermittlungsverfahren nicht vollständig erkannt und überzeugend genutzt. Statistisch betrachtet sind die Chancen auf eine Verfahrensbeendigung im Stadium der Ermittlungen am höchsten – denn zwei Drittel aller Strafverfahren werden wieder eingestellt oder anderweitig erledigt. Auf der anderen Seite kommt es nach einer Hauptverhandlung nur in 3 Prozent zu einem Freispruch. Diese Zahlen sollte jeder Verteidiger im Kopf haben, wenn er darüber nachdenkt, ob sich eine aufwändige Verteidigung im Vorverfahren überhaupt „lohnt“.
Bosbach gibt mit seinem Praxisbuch eine zuverlässige Anleitung, die Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Sorgfältig wägt er die jeweiligen Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen ab und vergisst auch nicht, den Leser vor typische Risiken bei einzelnen Optionen zu warnen, etwa bei der polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten. Die Darstellung verfällt dabei keineswegs in theoretische Abhandlungen, sondern bleibt stets dicht an der Praxis. Diese Orientierung wird unterstrichen durch insgesamt 35 Textmuster für gängige Schreiben und Vorlagen. Leider fehlt ein Verzeichnis dieser Muster. Durch seine straffen Erläuterungen lässt sich das Buch schnell und einfach lesen, diese Zeit sollte sich auch in der schwierigen Anfangsphase finden lassen.
Lücken weist das Buch allerdings bei der Pflichtverteidigung auf, welcher der Autor nur knapp drei Seiten widmet (Rn. 19, 20). Zwar ist die Bestellung im Ermittlungsverfahren immer noch nicht die Regel, dennoch wären hier Ausführungen zum Antrag auf Bestellung wünschenswert gewesen, etwa weil sich der Beschuldigte von sich aus frühzeitig an den Verteidiger wendet.
Die nun vorliegende 8. Auflage wurde vollständig neu bearbeitet, wobei die Grundkonzeption jedoch beibehalten blieb, die rechtlichen Erläuterungen durch Hinweise auf die richtige Verteidigungsstrategie und vor allem durch konkrete Muster zu ergänzen. Insbesondere wird in der Neuauflage auf die Verteidigung von Unternehmen im Ermittlungsverfahren aus Strafverteidigersicht eingegangen, die in der Praxis immer mehr an Bedeutung gewinnt: Umgang mit internen Aufklärungsmaßnahmen, mit Mitarbeiterbefragungen und der Beschlagnahmefähigkeit von Mitarbeiterprotokollen. Außerdem ist bereits die Neuregelung des § 100j StPO zur Auskunft und Auswertung von Telekommunikations-Bestandsdaten eingearbeitet.
Insgesamt bietet das Werk von Bosbach schnell und zuverlässig Auskunft zu den alltäglichen Problemen im Ermittlungsverfahren. Dabei ersetzt es natürlich nicht größere Werke, leistet aber einen effizienten Einstieg.
Die Rezension ist abgedruckt im Strafrechtsreport (StRR), Heft Nr. 5/2015.
C.F. Müller – Reihe: Praxis der Strafverteidigung (Band 3) – € 49,99
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