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Polizisten müssen sich zu erkennen geben

Niedersachsens Polizei hat das Versammlungsrecht zukünftig wörtlich zu nehmen. In § 11 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) heißt es:

1 Die Polizei kann bei Versammlungen unter freiem Himmel anwesend sein, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. 2 Nach Satz 1 anwesende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben sich der Leiterin oder dem Leiter zu erkennen zu geben.

Demnach haben sich auch Polizisten, die in Zivil eine Demonstration beobachten, zuvor gegenüber dem Versammlungsleiter als Zivilbeamte der Polizei zu erkennen zu geben. Das entschied am 6. November 2013 das Verwaltungsgericht Göttingen.

Das Gericht gab damit der Klage einer Atomkraftgegnerin gegen die Polizeidirektion Göttingen statt. Die Klägerin war nach der Atomkatastrophe in Fukushima bei mehreren Mahnwachen vor dem Alten Rathaus in Göttingen als Versammlungsleiterin aufgetreten. Zu diesen Mahnwachen waren stets auch Polizisten anwesend – die Einsatzleitung hatte es jedoch stets abgelehnt, der Klägerin mitzuteilen, ob und welche Zivilpolizisten das Geschehen beobachten. Diese hatten sich nicht als Polizisten geoutet, sondern erweckten – Kaffee trinkend oder telefonierend – den Eindruck, als seien sie nur Passanten. Dies sei rechtswidrig gewesen, das Gesetz mache keine Ausnahmen, dass sich bestimmte Polizisten nicht zu erkennen geben müssten.

Die Klägerin hatte argumentiert, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei beeinträchtigt, weil eine heimliche Observation von der Teilnahme an Kundgebungen abschrecke und es den Bürgern schwer mache, unbeschwert ihr Recht auf Meinungsfreiheit auszuüben.

VG Göttingen, Urt. v. 06.11.2013 – 1 A 98/12