Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende und wir können auf ein wirklich spannendes und bewegtes Jahr zurückblicken. Und obwohl die Strafakte etwa 300 neue Einträge verzeichnen konnte, gab es einige wichtige Strafprozesse, über die wir bisher nicht berichtet haben. Über andere haben wir hingegen sehr ausführlich berichtet, so dass es nun an der Zeit für ein Resümee und einen Ausblick auf das Jahr 2015 ist.
Welche Strafprozesse „wichtig“ sind, ist im Einzelfall nicht einfach zu beantworten. Dennoch gibt es einige, die in der Berichterstattung und in der Öffentlichkeit intensiv verfolgt wurden. Der „Wulff-Prozess“ ist schon fast in Vergessenheit geraten, denn es ging häufiger um namhafte Angeklagte in sonst eher gewöhnlichen Verfahren. Dagegen fand der vielleicht größte Serienmord der Nachkriegsgeschichte medial bislang eher wenig Beachtung. Einige dieser 15 Strafverfahren werden uns auch 2015 noch häufiger beschäftigen.
Wiederaufnahmeverfahren Gustl Mollath
Das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten Gustl Mollath war 2014 ein Top-Thema, obwohl auch 2013 schon viel darüber berichtetet wurde. Mollath war in einem langen Verfahren zwar freigesprochen worden, obwohl es das Gericht als erwiesen ansah, dass er seine Frau misshandelt hat. Gegen diesen „in dubio“-Freispruch will Mollath in Revision gehen – es bleibt abzuwarten, ob nach einer – ziemlich sicheren – Verwerfung durch den Bundesgerichtshof schon 2015 das Bundesverfassungsgericht zu Wort kommen wird.
Haftstrafe für Uli Hoeneß
28,5 Millionen Euro verkürzte Steuern führten zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe für Hoeneß, eine zunächst angekündigte Revision wurde dann doch nicht eingelegt. Nicht wenige sahen den Prozess als „Schmierenkomödie“ mit einem verdeckten Deal zwischen Staatsanwaltschaft, dem Gericht und der Verteidigung an, was sich aber auch durch die hart erkämpften Urteilsgründe nicht belegen ließ. Bereits ab Januar wird Hoeneß wohl als Freigänger von erheblichen Hafterleichterungen profitieren, 2016 ist dann mit einer Strafaussetzung zur Bewährung zu rechnen.
Untersuchungshaft und kein Ende für Thomas Middelhoff
Ganz anders traf es Thomas Middelhoff. Für Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen mit einem der Arcandor AG zugefügten Schaden in Höhe von 500.000 Euro verurteilte ihn das Landgericht Essen zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dazu sah das Gericht – wohl nicht völlig unbegründet – Fluchtgefahr, so dass Middelhoff vom Gerichtssaal direkt in die Untersuchungshaft überstellt wurde, die bis heute vollzogen wird. Ob die Revision zum Erfolg führen wird ist ungewiss – von Middelhoff wird es auch 2015 noch einiges zu berichten geben.
Der NSU-Prozess im Jahr 2014
Kein Ende absehbar ist dagegen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München – das Gericht terminiert (vorerst) bis Januar 2016. Häufig wird der Prozess auf Nebenschauplätze verlegt, der Bundesanwalt muss die Nebenklägervertreter zuweilen an geltendes Recht erinnern – die Nerven scheinen bisweilen blank zu liegen. Die zentrale Frage lautet: Überfordert ein solcher Mammutprozess mit 86 Nebenklägern den Rechtsstaat?
Der Fall Edathy
Die Frage, ob der Rechtsstaat überfordert ist, stellt sich auch im Fall Edathy. Denn obwohl das von ihm bestellte Material nach bisher geltendem Recht wohl nicht kinderpornografisch ist, will der Rechtsstaat dies nicht hinnehmen und ebnet den Weg zu einem entsexualisiertem Sexualstrafrecht. Der Fall Edathy wird dagegen wohl im Jahr 2015 unaufgeregt beendet.
Der Prozess gegen Oscar Pistorius
Ist das geltende Recht noch dem Volk zu vermitteln? Diese Frage stellte sich 2014 häufig, egal ob bei Edathy, Hoeneß, Ecclestone oder eben Pistorius. Das Gericht verurteilte den Olympiahelden m.E. zurecht wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Ähnlich wie bei der Politik scheint das Vertrauen der Bevölkerung auch in die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Gerichte zu schwinden. Die Komplexität des Recht scheint unterschätzt zu werden.
Der „Freikauf“ von Ecclestone
In diese Reihe gehört auch der vermeintliche „Freikauf“ von Bernie Ecclestone. Immerhin 100 Millionen US-Dollar musste er dem Freistaat Bayern als Ablass zahlen. Aus Dankbarkeit dafür bedachte er den Rechtsstaat auf seiner Weihnachtskarte.
Das Schwarz(er)geld
Ist sie oder ist sie nicht – das ist hier die Frage. Gemeint ist natürlich die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige von Alice Schwarzer wegen ihrem Schwarzgeld in Schweiz. Andernfalls könnte sie im kommenden Jahr ein Prozess nach dem Vorbild Hoeneß erwarten.
Der Freispruch von Karl Dall
Am 9. Dezember hat das Bezirksgericht Zürich Karl Dall aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, der sich – wie erwartet – als haltlos herausstellte. Er erhält eine Entschädigung von 58.000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Fall Yagmur
Vor einem Jahr, im Dezember 2013, starb die dreijährige Yagmur an den Folgen der massiven Misshandlungen ihrer Mutter. Im November wird die 27-jährige wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt – die besondere Schwere der Schuld stellte das Landgericht Hamburg jedoch nicht fest. Genau dies fordert jedoch die Staatsanwaltschaft und ist deshalb – genau wie die Verteidigung – in Revision gegangen, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist. Der Vater des Mädchens muss viereinhalb Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen ins Gefängnis.
Der Fall Chantal
Am 1. Dezember begann vor dem Landgericht Hamburg der Prozess gegen die Pflegeeltern von Chantal wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. Das 11 Jahre alte Mädchen war im Januar 2012 an einer Überdosis Methadon gestorben, die Tabletten lagen offen in der Wohnung herum – das Mädchen dachte, es handele sich um ein Medikament gegen Übelkeit. Der Fall ist besonders schwerwiegend, weil das Jugendamt auch hier deutlichen Hinweisen wegen Gefährdung des Kindeswohls nicht nachgegangen ist, obwohl es von dem Drogenproblem der beiden Angeklagten und dem verwahrlosten Zustand der Wohnung gewusst hatte und das Mädchen kurz vor ihrem Tod in einem Brief an ihren Vater gefleht hatte, aus der Familie geholt zu werden. Wir werden in den kommenden Monaten über den Prozess berichten.
Der Todesschütze von Diren Dede
Der 17-jährige Austauschschüler Diren Dede aus Hamburg wurde im April im amerikanischen Bundesstaat Montana nachts in einer Garage erschossen. Der Besitzer des Hauses und Todesschütze Markus Kaarma plädierte auf Notwehr und berief sich auf die „Castle Doctrine“, nach der bei einer Bedrohung für Leib und Leben auch tödliche Gewalt erlaubt sei. Die Geschworenen folgten der Staatsanwaltschaft und haben Kaarma am 17. Dezember der vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen. Damit steht fest: Der Todesschütze von Diren Dede muss mindestens zehn, höchstens 100 Jahre ins Gefängnis. Das Urteil wird am 11. Februar 2015 verkündet.
Der Autobahnschütze
Zehneinhalb Jahre wegen wegen vierfachen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr – so lautet das Urteil gegen den Angeklagten Michael K., der in den Medien als „Autobahnschütze“ bezeichnet wurde und von 2008 bis 2013 mehr als 700 Mal aus dem Führerhaus seines Lastwagens auf andere Fahrzeuge geschossen hatte. Das Landgericht Leipzig war im Urteil am letzten Tag im Oktober zu der Überzeugung gelangt, dass K. bei jeder seiner Taten billigend in Kauf genommen hatte, Menschen zu töten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Verteidigung in Revision gegangen ist.
Schlimmster Serienmörder der Bundesrepublik?
Seit September 2014 steht Krankenpfleger Niels H. wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs an Patienten vor Gericht in Oldenburg. Es könnte allerdings eine dreistellige Zahl an Fällen sein, in denen Niels H. den ihm anvertrauten Patienten ohne medizinische Indikation das Herzmittel Gilurytmal verabreichte, das den Kreislauf destabilisierte. Dabei wollte er nicht unbedingt töten, sondern Patienten in eine Kreislaufkrise versetzen und dann als Retter seine Reanimationskünste zu zeigen und sich Anerkennung zu verschaffen. Wie viele Menschen Opfer des Pflegers geworden sind, ist noch nicht klar, die Polizei untersucht allein in Delmenhorst 174 Todesfälle, auch an seinen früheren Arbeitsstätten in Oldenburg und Wilhelmshaven soll er gemordet haben. Mitgefangenen soll der Krankenpfleger erzählt haben, er habe bei 50 getöteten Patienten aufgehört zu zählen. In Delmenhorst verdoppelte sich die Sterberate in seiner Dienstzeit, der Verbrauch von Gilurytmal versechsfachte sich, ohne dass sich jemand daran störte – deshalb wird auch gegen acht seiner Kollegen wegen Totschlags durch Unterlassen ermittelt.
Mordprozess gegen Hells-Angels-Rocker
Vor dem Landgericht Berlin begann im November der Prozess gegen „Hells Angels“-Mitglieder. Insgesamt sitzen elf Männer im Alter von 25 bis 38 Jahren auf der Anklagebank, zehn davon sind Mitglieder des Rockerclubs, einer von ihnen ist Kronzeuge in diesem Fall und steht unter Polizeischutz. Ihnen wird vorgeworfen, im Januar 2014 den 26-jährigen Tahir Özbek in einem Berliner Wettbüro erschossen zu haben. Mit einem Urteil ist nicht vor April 2015 zu rechnen.
1 Kommentare zu “Die Strafprozesse des Jahres 2014”
Keine Kommentare zugelassen