Thomas Middelhoff ist heute wegen Untreue (§ 266 StGB) in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen von der XV. Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Essen (Az. 35 KLs 14/13) unter Vorsitz von Richter Jörg Schmitt zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.
Middelhoff wegen Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal verhaftet
Middelhoff wurde vorgeworfen, als Manager des krisengeschüttelten Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor in den Jahren 2005 bis 2009 zu Unrecht mit ganz oder teilweise privat veranlassten Kosten in Höhe von mehr als 800.000 Euro belastet zu haben. Diese wurden in erster Linie durch teure Flüge mit Charterjets nach London und New York verursacht, allerdings auch durch Hubschrauberflüge zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Arcandor-Zentrale in Essen, mit denen Middelhoff auf dem Weg zur Arbeit dem Stau am Kamener Kreuz entgehen wollte.
Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, eine Festschrift für 180.000 Euro zu Ehren des früheren Bertelsmann-Chefs Mark Wössner statt als persönliches Geschenk an seinen früheren Mentor über Arcandor abgerechnet zu haben. Den Gesamtschaden hatte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift auf 1,1 Millionen Euro beziffert. Der Oberstaatsanwalt Helmut Fuhrmann von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität hatte wegen Untreue in 44 Fällen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert.
Noch nie erlebte Widersprüche und abenteuerliche Erklärungsversuche
Middelhoff hat die Vorwürfe stets entschieden zurückgewiesen. Das insgesamt fünfjährige Verfahren sei für ihn ein Albtraum gewesen, durch das er sich in seiner Würde und Ehre verletzt sah. Die Flüge im Privatjet seien angesichts der existenzbedrohenden Dauerkrise des Unternehmens unabdingbar gewesen, da er rund um die Uhr gearbeitet habe und stets verfügbar sein musste. Das wäre bei der Nutzung von Linienfliegern nicht möglich gewesen. Die Finanzierung der umstrittenen Festschrift habe im Übrigen vorrangig der Imagepflege des Konzerns gedient. Daher beantragte die Verteidigung einen Freispruch.
Was mir vorgeworfen wird, ist gelebte Praxis in Großkonzernen. Ich habe mich an Recht, Gesetz und Satzung gehalten.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Middelhoff an den entscheidenden Stellen im Prozesses nicht ehrlich war. Der Vorsitzende Richter habe selten einen Angeklagten erlebt, der sich derart oft selbst widersprochen habe. Ehre habe viel mit Ehrlichkeit zu tun, sagte der Richter. Die Versuche, sein Verhalten zu erklären, seien jedoch hilflos und „teilweise abenteuerlich“ gewesen. Ohne die Insolvenz von Arcandor und den „erbsenzählenden“ Insolvenzverwaltern wären die Straftaten allerdings wahrscheinlich nie aufgedeckt worden.
Schließlich stehe für das Gericht fest, dass der Angeklagte seine Treuepflichten als Vorstandsvorsitzender verletzt und der mittlerweile insolventen Arcandor AG einen Schaden in Höhe von rund 500.000 Euro zugefügt habe. Das Gericht blieb nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe in Höhe von drei Jahren und drei Monaten beantragt hatte. In der Urteilsbegründung begründete der Richter die hohe Strafe mit der fehlenden Reue des Angeklagten. Da er sowohl einen Dienstwagen als auch eine Dienstwohnung in Düsseldorf besaß, seien die Hubschrauberflüge zu seiner Familie in Bielefeld seine Privatsache gewesen:
Ihre Termine begannen laut ihrem Kalender um neun Uhr morgens in der Arcandor-Zentrale. Dann müssen Sie früher aufstehen.
Nach der Urteilsverkündung wurde Thomas Middelhoff noch im Gerichtssaal der Haftbefehl verkündet und dieser vollzogen, auch „Saalverhaftung“ genannt. Die Höhe der Strafe biete einen Fluchtanreiz, noch dazu sie die wohnliche und finanzielle Situation von Middelhoff unklar. Auch bei dem anschließenden Haftprüfungstermin gelang es den Verteidigern nicht, den Haftbefehl gegen bestimmte Auflagen außer Vollzug setzen zu lassen.
Revision gegen das Urteil gilt als überaus wahrscheinlich
Damit geht nach mehr als sechs Monaten Verhandlungsdauer einer der aufsehenerregendsten Wirtschaftsstrafprozesse der vergangenen Jahre vorläufig zu Ende. Der Angeklagte und seine Verteidiger müssen sich binnen einer Woche entscheiden, ob sie das Urteil mit der Revision anfechten wollen.
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