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Wie relevant Litigation-PR wirklich ist

In vielen Kanzleien und Gerichten findet seit Jahren eine Diskussion um Litigation-PR statt. Die Frage nach prozessbegleitender Kommunikation spaltet die Juristen. Die eine Gruppe lehnt PR-Berater im Gerichtssaal generell ab. Schließlich sind die neuen Akteure im Prozess in aller Regel keine Juristen. Entsprechend kritisch werden sie beäugt. Wollen sie nicht den Kunden immer in die Medien bringen? Gefährdet ihr medialer Ansatz letztlich nicht die juristische Strategie? So oder so ähnlich lauten Fragen, gelegentlich auch Vorurteile, gegenüber Litigation-PR. Die zweite Gruppe ist offener gegenüber prozessbegleitender Kommunikation eingestellt. Aber auch sie fragt nach praktischen Einsatzmöglichkeiten, konkreten Beispielen der Zusammenarbeit sowie „Success Stories“. Beide Gruppen interessieren sich sehr für die Wirksamkeit von Litigation-PR.

Litigation-PR schützt die Reputation des Klienten, der sich in einer öffentlichkeitswirksamen, gerichtlichen Auseinandersetzung befindet. In enger Abstimmung mit den mandatierten Rechtsanwälten wird die juristische Strategie für die Medien übersetzt. Das letzte Wort haben jedoch stets die Prozessbevollmächtigten.

Frühindikatoren für den Bedarf von Litigation-PR

Die Frage, wie relevant Litigation-PR wirklich ist, impliziert auch, wann und in welchen Fällen Litigation-PR überhaupt sinnvoll eingesetzt wird. Prozessbegleitender Kommunikation kommt eine wichtige Funktion bei öffentlichkeitswirksamen Fällen zu. Hier drohen Unternehmen oder auch Einzelpersonen bereits frühzeitig Reputationsschäden, etwa während des Ermittlungsverfahrens gegen sie. Dabei gibt es durchaus einige Frühindikatoren, die den Bedarf an Litigation-PR anzeigen können:

  • hohe Bekanntheit der am Prozess beteiligten Personen, vor allem wenn die handelnden Personen bereits umstritten sind
  • anrüchige Themen, hohes Skandalisierungspotential, fotogene Prozessbeteiligte
  • große Bekanntheit der am Verfahren beteiligten Unternehmen, insbesondere bei bereits geschwächter Reputation
  • Personen mit geringer Bekanntheit („Unknown Champions“), bei denen die Journalisten hohes Enthüllungspotential sehen und Storys erstmals in die Medien bringen
  • medial stigmatisierte Branchen
  • hoher Streitwert oder Leitfunktion der anstehenden Entscheidung für die betroffene Branche
  • Sachverhalte, die für die Öffentlichkeit verständlich sind und die viele Menschen betreffen

Wenn einer oder mehrere dieser Faktoren gegeben sind, besteht die Gefahr, dass die Medien die juristische Auseinandersetzung aufgreifen. Bloße Missverständnisse, Vereinfachungen und eine Skandalisierung sind häufig nicht auszuschließen. Anwälte sollten in einer derartigen Situation prüfen, ob sie ihren Mandanten eine Unterstützung durch Litigation-PR empfehlen. Dieser Rat würde ein ganzheitliches Verständnis für die Bedürfnisse des Mandanten zeigen und positiv auf die Kanzlei abstrahlen. Den Vertrag schließen Berater in aller Regel direkt mit dem Mandanten – ohne die Kanzlei finanziell zu belasten.

Nur ein Teil der Straf- und Zivilverfahren bietet Potential für Litigation-PR. Wenn die Reputation bedroht ist, kann der Schaden aber den reinen Streitwert schnell übertreffen. In solchen Fällen ist Litigation-PR notwendig, um die Reputation des Klienten zu schützen. Dies galt beispielsweise auch für den 12 Jahre andauernden Prozess von Leo Kirch gegen die Deutsche Bank. Die juristische Auseinandersetzung belastete die Bank über ein Jahrzehnt: Öffentlichkeit und auch Aktionäre wurden nachhaltig verprellt. Der Reputationsschaden für die Bank ist enorm.

Wie relevant Litigation-PR sein kann

Litigation-PR spielt auch eine wichtige Rolle bei Prozessen gegen Einzelpersonen. Vier Tage lang waren die Augen der breiten Öffentlichkeit gebannt auf das Landgericht München II gerichtet. Im Mittelpunkt: Uli Hoeneß, ein Mann mit vielen Titeln, der Weltmeister, Wurstfabrikant und Wohltäter, inzwischen auch verurteilter Steuerhinterzieher. Rund 100 Journalisten wohnten dem Strafprozess bei – viele twitterten aus dem Gerichtssaal. Kurz vor dem Urteil forderte des Volkes publizistische Stimme in übergroßen Lettern:

„Im Namen aller ehrlichen Steuerzahler: Verknackt Hoeneß“.

Obwohl Hoeneß schon zu einem recht frühen Zeit relevant Litigation-PR eingesetzt hat, hat das späte Geständnis seiner Glaubwürdigkeit enorm geschadet: schwierige Voraussetzungen auch für Litigation-PR. Neben der Strafe schmerzt dieser Reputationsschaden den einst gefeierten Manager besonders. Generell kann man wohl sagen: Prominente Steuerhinterzieher und andere Personen der Öffentlichkeit sollten sich frühzeitig um Litigation-PR-Unterstützung bemühen, um nicht nur vor einem Richter, sondern auch im Gerichtssaal der Öffentlichkeit zu gewinnen.

Derartige Prozesse stellen Unternehmen und auch Einzelpersonen immer wieder vor gewaltige Herausforderungen, die mit klassischen juristischen Prozessstrategien nicht zu bewältigen sind. In solchen Fällen braucht man – zum Nutzen des Mandanten – den Schulterschluss zwischen Juristen und Kommunikatoren.

Daniel Konrad ist Berater bei FleishmanHillard. Zu seinen Schwerpunkten zählt Litigation-PR sowie Fragen rund um das Thema Compliance. Er twittert unter @dan_konrad und schreibt auch für den True-Affairs-Blog.


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