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Viele Prozesse – wenige Verurteilungen

Mehr als ein Dutzend ehemaliger Top-Manager deutscher Banken mussten sich im Jahr 2014 in Strafprozessen vor Gericht verantworten – verurteilt wurde allerdings kein einziger! In Hamburg etwa wurden sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank freigesprochen, in Stuttgart stellte das Gericht den Prozess gegen frühere Vorstände der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ein. Und auch im Strafverfahren gegen die ehemaligen Vorstände der BayernLB bleibt nach zehn Monaten Verhandlungsdauer von der einst umfangreichen Anklage nicht viel übrig.

Da stellt sich die Frage: Warum gibt es so wenige Verurteilungen in Wirtschaftsstrafverfahren?

Wirtschaftsdelikte schwierig zu greifen

Jedenfalls liegt es nicht an zu wenig Beweismaterial. Die sichergestellten Dokumente füllen in der Regel zahlreiche Aktenordner, jeder Vorgang ist fein säuberlich dokumentiert. Im Vergleich zu anderen Straftatbeständen ist der Wirtschaftskriminalität mit dem Strafrecht allerdings sehr viel schwieriger zu begegnen. Wirft man den ehemaligen Vorständen der BayernLB beispielsweise vor, die österreichische HGAA trotz bekannter Risiken viel zu teuer gekauft zu haben, ist das Strafrecht ein vergleichsweise stumpfes Schwert: Das Strafgesetzbuch (StGB) kennt mit der Untreue in § 266 StGB einen Straftatbestand, der fremdes Vermögen vor Missbrauch schützen soll – die Hürden hinsichtlich des Vorsatzes des Vermögensnachteils liegen jedoch sehr hoch. Schließlich hatten die Vorstände keinen persönlichen finanziellen Vorteil und warum sollten sie durch – vorsätzlich – „windige“ Geschäfte den Ast absägen wollen, auf dem sie sitzen?

Vorsatz hinsichtlich des Vermögensnachteils

Aufgrund der Weite des objektiven Tatbestands sind strenge Anforderungen an den Vorsatz des Vermögensnachteils zu stellen1. Wenn nur – wie meist – bedingter Vorsatz in Frage stehe, müsse sich der Täter der Pflichtwidrigkeit und des dadurch bewirkten Nachteils bewusst sein2. Sofern die Angeklagten glaubhaft behaupten, sie hätten vor allem die Chancen gesehen und Risiken niedriger bewertet (als diese sich letztendlich erwiesen haben), wird ein Tatnachweis nur sehr schwierig zu führen sein – es sei denn, es liegen dem widersprechende Unterlagen vor.

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Warum gibt es viele Prozesse, aber wenige Verurteilungen im Wirtschaftsstrafrecht? // Foto: Fokli62 (CC BY 3.0)

Wenige Verurteilungen durch die beste Strafverteidigung?

Fraglos spielt die Strafverteidigung auch eine Rolle. Die Top-Manager engagieren natürlich die „besten“ Strafverteidiger, die sich andere Angeklagte regelmäßig nicht leisten könnten. Dafür bekommen sie allerdings auch eine Exklusivbetreuung: Die Verteidiger sind hervorragend in den Fall eingearbeitet, meist werden einzelne Anklagepunkte durch jeweils verschiedene Mitarbeiter „beackert“ und speziell darauf zugeschnittene Verteidigungsstrategien entwickelt. Trotzdessen vermag auch die beste Strafverteidigung nicht, einen Angeklagten immer vor einer Haftstrafe zu bewahren, wie man am (freilich anders gelagerten) Fall Hoeneß sehen kann.

Diese von der Verteidigung eingebrachte „Manpower“ übersteigt die Ressourcen der jeweiligen Staatsanwaltschaft jedoch meist eindeutig. Die nicht so tiefgründige Einarbeitung bringt dann nicht selten die Anklage insgesamt zu Fall.

Juristische Aufarbeitung gesellschaftlich von Bedeutung

Und warum werden Wirtschaftsstrafprozesse dann überhaupt geführt, wenn ohnehin am Ende nichts dabei herauskommt? Weil die Aufarbeitung gesellschaftlich wichtig ist, sagt Margarete Nötzel, Sprecherin am Landgericht München: „Man kann ein Fehlverhalten nicht einfach durchgehen lassen, nur weil es schwierig ist, eine Straftat nachzuweisen“. Aus diesem Grund müsse auch in komplizierten Wirtschaftsfällen genauso ermittelt werden wie bei dem Ladendieb, der auf frischer Tat ertappt wird – auch wenn die Ermittlungen weitaus komplexer sind.

* Wirtschaftsprozesse – Viel Aufwand bei wenigen Verurteilungen

 

  1. st. Rspr., vgl. BGHSt 3, 25; 46, 30 [34 f.]; 47, 148 [156 ff.]; 47, 295 [302]; 48, 331 [348] []
  2. Fischer, StGB (61. Aufl. 2014) § 266 Rn. 176 (Hervorhebung dort); BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 38 []

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