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Halbtagsrichterinnen und die Arroganz der Macht

Rechtsanwälte treten vor Gericht bisweilen „krawallig“ auf, das mag man gut finden oder eben auch nicht. Vermutlich gehört das für einige zu ihrem „Handwerkszeug“, teils ist es aber auch schlicht einem hitzigen Gemüt desjenigen geschuldet. Vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main musste sich nun ein 69-jähriger Rechtsanwalt wegen des Vorwurfs der Beleidigung verteidigen – er hatte in einem Befangenheitsantrag ordentlich ausgeteilt.

Heimsuchung, die vom Richtertisch aus ihre Arroganz der Macht ausspiele

In einem Zivilprozess um die Räumung der Frankfurter Diskothek „U60311“ hatte der Rechtsanwalt offenbar ein nicht unerhebliches Problem mit der zuständigen Richterin. In einem gegen diese gerichteten Antrag wegen der Besorgnis der Befangenheit fand der Anwalt jedenfalls recht deutliche Worte: Diese „Halbtagsrichterinnen“ hätten ja nur noch ihre Kinder und Familie im Kopf. Von zuhause aus würden sie „ungestört rechtlichen Unfug anrichten“. Die Richterin sei gar eine „Heimsuchung“ die vom Richtertisch aus ihre „Arroganz der Macht“ ausspiele.

Dem Präsidenten des Landgerichts ging das zu weit – er stellte Strafantrag wegen Beleidigung gegen den Rechtsanwalt. Die Staatsanwaltschaft sah das ähnlich und beantragte einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 6.000 Euro.

Sachlichkeitsgebot gebietet nicht immer Sachlichkeit

Der Rechtsanwalt legte Einspruch ein und führte in der folgenden Hauptverhandlung aus, er habe schließlich nur die berechtigten Interessen seiner Mandantschaft wahrnehmen wollen – auch wenn die Grenzen der Höflichkeit dadurch im Einzelfall überschritten würden. Die in dieser Verhandlung zuständige Richterin sah das ähnlich: Im Kampf um das Recht dürfe auch eine „starke, sinnfällige Sprache“ verwendet werden – wie das Bundesverfassungsgericht für sprachliche Entgleisungen von Rechtsanwälten bereits mehrfach entschieden hat; vgl. BVerfG NJW 2008, 2424 [2426] und besonders deutlich in BVerfGE 76, 171 [192]:

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erlaubt es dem Anwalt – ebenso wie dem Richter – nicht, immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, daß diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Nach allgemeiner Auffassung darf er im „Kampf um das Recht“ auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, ferner Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren, um beispielsweise eine mögliche Voreingenommenheit eines Richters oder die Sachkunde eines Sachverständigen zu kritisieren. Nicht entscheidend kann sein, ob ein Anwalt seine Kritik anders hätte formulieren können; denn grundsätzlich unterliegt auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung.

Der Rechtsanwalt wurde deshalb vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen.


7 Kommentare zu “Halbtagsrichterinnen und die Arroganz der Macht

  1. Kann ich nicht nachvollziehen. Der Kollegen hat ganz klar die Grenzen der ,,berechtigten Interessenvertretung“ überschritten. Zumal der Vorwurf völlig unsachlich ist und von Seximus nur so tropft.

  2. Ein späterer Minister soll als Verteidiger in Hauptverhandlungen die Schuhe ausgezogen und gebrüllt haben, zumindest in einer. Er soll mit den Schuhen auf den Tisch geklopft haben….
    Das war allerdings in eher wilden Zeiten in den Siebzigern.

  3. genau das steht auch einem betroffenen zu, dem die aroganz der macht außerhalb der ordnung, dem gesetz und dem recht in einer weise zusetzt die über die jahre dem tatbestand einer körperverletzung gleichkommt.

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