Bestehen bei Opfern von Straftaten – insbesondere bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit oder Jugend – Zweifel, ob auch schon vor der Gewalttat Krankheitsanzeichen bestanden haben (sogenannte Vorschäden) oder ob andere Ursachen die Krankheit herbeigeführt haben, so geht dies nicht zu Lasten der Opfer.
Dies hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 06.03.2013 klargestellt. Für die Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) reiche es aus, dass diese Krankheit in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem belastenden Vorgang ausgebrochen ist und auch danach keine Umstände hinzugekommen sind, die den Vorgang als unwesentlich für die aktuell bestehenden Beschwerden erscheinen lassen.
Die Klägerin war im Alter zwischen 8 und 14 von einem Onkel, einem Großvater und auch einem Nachbarn mehrfach sexuell missbraucht worden. Dadurch entstanden eine posttraumatische Belastungsstörung und depressive Erkrankungen. Diese verstärkten sich beim Tod des Vaters sowie der späteren Trennung von ihrem Ehemann. Zudem durchlebte die Klägerin belastende Erfahrungen mit einer Sekte. Während das beklagte Land Rheinland-Pfalz davon ausging, dass es sich bei den späteren Ereignissen um schädigungsunabhängige Nachschäden handele, die einen eigenständigen Anteil an der bestehenden Krankheit haben, ist das Landessozialgericht dem nicht gefolgt. Im Hinblick darauf, dass es sich nicht um Nachschäden von solchem Gewicht handelte, dass diese die ursprünglichen Gewalttaten vergleichsweise unwesentlich erscheinen lassen und zudem teilweise sogar mit den früheren traumatischen Erlebnissen verknüpft waren (Vater und Ehemann als stabilisierende Faktoren), wurden alle Krankheitsanteile als Folge des schädigenden Ereignisses angesehen. Hierfür war eine Versorgung zu gewähren.
LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2013 – L 4 VG 11/11