Kaum gibt es wieder einen Strafprozess gegen eine halbwegs prominente Persönlichkeit, stürzt sich die Journaille im Rudel auf die Story als ob es reines Entertainment wäre. Es geht dabei um den Lebensgefährten einer Schwimmerin, die zuletzt 2004 – also vor über zehn Jahren – zuletzt sportliche Erfolge feierte.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) holt sogleich die Keule „Promi-Bonus“ raus und fasst seine Sicht der Dinge in einem Blogpost folgendermaßen zusammen:
Der Lebensgefährte der Schwimm-Ikone Franziska van Almsick genießt vor dem Frankfurter Landgericht einen Promi-Bonus: Fotos von ihm dürfen nur verpixelt veröffentlicht werden.
Eher Prominenten-Malus denn Prominenten-Bonus
Promi-Bonus? Dazu müsste erst festgestellt werden, ob der Angeklagte überhaupt prominent ist oder woraus sich das ergeben sollte: Man frage 100 Leute nach dem Namen Jürgen B. Harder – kaum einer würde den Unternehmer als Lebensgefährten der Schwimmerin einordnen können. Auch sonst ist wenig über den Mann bekannt, was über die Rolle als Lebenspartner hinausgeht. Man könnte sogar nicht frei von Bosheit behaupten, dass seine Relevanz nicht einmal für einen eigenen Wikipedia-Eintrag ausreichte.
Aber der DJV weiß die Geschichte noch wesentlich blumiger zu verpacken:
Darüber freut sich jeder Angeklagte: Gleich zu Prozessbeginn öffnet der Richter seine große Aktentasche, zieht die Prozessakte heraus und breitet sie vor sich aus. Ein weiterer Griff in die Tiefen der Tasche, und mit Leichtigkeit befördert der Richter eine knisternde Plastiktüte auf sein Pult, öffnet sie mit einem Ruck und zieht ein Paar unbenutzte Samthandschuhe heraus. Mit Leichtigkeit stülpt er sie über seine Hände, zieht die Stirn in Falten und wendet sich an die anwesenden Fotografen. Mit gestrenger Miene weist er die „Herren Medienvertreter“ darauf hin, dass Bildaufnahmen des Angeklagten im Gerichtssaal nur vor Verhandlungsbeginn und in den Pausen zulässig seien. Das wundert keinen der anwesenden Bildjournalisten, sind sie diese Einschränkung ihrer Arbeit doch längst gewohnt. Aber dann kommt der Hammer: Das Gesicht des Angeklagten dürfe nur verpixelt gezeigt werden. Alles andere stelle eine starke zusätzliche Beeinträchtigung des Angeklagten und seiner Familie dar. Der Grund der Verpixelung: „Die Prominenz einer gänzlich unbeteiligten Partnerin eines der Angeklagten.“
Der böse Richter und die armen „Herren Medienvertreter“, fast könnte einen das Mitleid packen. Vielleicht wäre es allerdings schlau, sich mit der geltenden Rechtslage auseinanderzusetzen, bevor man einen derartigen Unfug von „Samthandschuhen“ schreibt. Kein Richter würde einen vermeintlichen Prominenten mit „Samthandschuhen“ anfassen und sich so bloß dem Vorwurf der Voreingenommenheit aussetzen – dafür gibt es unzählige Beispiele. Der Begriff des Promi-„Malus“ fand deshalb Eingang in die juristische Fachsprache.
Straftäter und Lebenspartner als Personen zeitgeschichtlichen Interesses
Zwar können Straftäter zu Personen von zeitgeschichtlichem Interesse werden, sofern die vorgeworfene Straftat sich aufgrund der Schwere der Tat, der Person des Täters oder besonderer Umstände der Tat deutlich aus dem Kreis alltäglicher und somit der gewöhnlichen Kriminalität heraushebt.1 Nun wurde der Herr u.a. wegen Betrugs, Bestechung und Steuerhinterziehung angeklagt – alles keine Delikte außerordentlicher Brisanz oder besonderer Schwere. Täglich wird in Deutschland tausendfach betrogen oder werden Steuern hinterzogen, allerdings kommt es in den wenigsten Fällen zur Anklage – oftmals bleiben die Taten nämlich unentdeckt.
Nun können auch familiäre und Partnerbeziehungen die Eigenschaft einer Person zu einer zeitgeschichtlichen Relevanz verhelfen, etwa weil sie aus dem Umfeld einer „absoluten“ Person der Zeitgeschichte stammen. Nun kann man sicher darüber streiten, ob die Sportlerin wegen ihrer einstigen Erfolge und gelegentlicher Fernsehauftritte noch immer als Person eines solch herausragenden zeitgeschichtlichen Interesse einzustufen ist, die jegliche Berichterstattung über sie und ihr Umfeld zu rechtfertigen vermöge. Auch erlangt der jeweilige Lebensabschnittspartner die bildrechtliche Qualifikation keineswegs per sé2, dies verbietet schon der Rechtsverlust für den Betroffenen bei Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Vielmehr müssten zum Partnerstatus weitere Umstände hinzutreten, die es rechtfertigen, ihn – vorbehaltlich § 23 Abs. 2 KUG – der Abbildungsfreiheit zu unterwerfen, denn sie sind nicht grundsätzlich ihrerseits eine abgeleitete Person der Zeitgeschichte.3 Dies wurde bisher nur unter der Voraussetzung anerkannt, dass sie zusammen mit dem prominenten Partner in der Öffentlichkeit auftreten – nicht jedoch, wenn sie – wie hier – allein vor Gericht stehen.
Es ist demnach festzuhalten, dass die Anordnung des Richters richtig war und dadurch die Pressefreiheit nicht beschnitten wurde. Man wünschte, Richter würden die Persönlichkeitsrechte und Umstände des Einzelfalles häufiger in dieser Art und Weise berücksichtigen.
- von Stropp-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung (5. Aufl. 2003) Kap. 8 Rz. 21 [↩]
- OLG München, NJW-RR 1996, 93 [95] – Anne-Sophie Mutter [↩]
- OLG Hamburg, AfP 1991, 437 – Bernd Wegener; OLG Frankfurt, GRUR 1958, 508 – Verbrecherbraut; Wenzel/von Strobl-Albeg, a.a.O. Rz. 24 [↩]