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Strafzumessung im Urteil gegen Uli Hoeneß

Das Landgericht München II veröffentlichte gestern die Gründe des Urteils gegen Uli Hoeneß.

Zur Frage einer Verständigung („Deal“) führt die Kammer in der Negativmitteilung aus:

Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung im Sinne des § 257 c StPO. Gespräche zur Anbahnung einer solchen Verständigung im Sinne der §§ 202 a, 212 StPO haben nicht stattgefunden.1

Strafzumessung im Hoeneß-Urteil von besonderem Interesse

Zulasten des Angeklagten würdigte die Kammer die Zahl und Dauer der Taten, die Höhe der durch die Einzeltaten verkürzten Steuern und den Gesamtschaden. Zugunsten des Angeklagten wertete die Kammer den Umstand, er habe sich mit seiner – überstürzten – Selbstanzeige selbst steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ausgeliefert. Mangels einer Rechtshilfe in Fällen „einfacher“ Hinterziehung direkter Steuern durch die Schweizerische Konföderation wären Ermittlungen voraussichtlich nicht mit vergleichbarem Erfolg zu führen gewesen, wenn sich der Angeklagte durch seine – insbesondere zuletzt – rückhaltlose Kooperation nicht sozusagen selbst geradezu „ans Messer geliefert“ hätte.2

Dass Hoeneß sich nicht freiwillig den Steuerbehörden offenbarte, um „reinen Tisch zu machen“ und zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren, darüber hinaus sowieso kurz vor der Entdeckung stand, bewertete die Kammer dagegen offenbar nicht strafschärfend.

Ebenfalls am 16.01.2013 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach der Veröffentlichung gegen 11:40 Uhr rief der Journalist Z erneut den Finanzbeamten U an. Nunmehr machte der Journalist konkretere Angaben. Es solle sich bei dem Kontoinhaber um [ein großes Unternehmen der Branche des Angeklagten] handeln. (…)

Eine Kontonummer oder auch den Namen seines Hinweisgebers nannte der Journalist nicht. Er verwies auf den online veröffentlichen Artikel, der jedoch nur einen Teil der Kontonummer enthielt. Der Finanzbeamte U empfahl dem Journalisten Z daraufhin, den bei der Steuerfahndung des Finanzamts N tätigen Finanzbeamten W zu kontaktieren, nachdem er mit diesem kurz telefonische Rücksprache gehalten hatte.

(…) hatte der Journalist Z zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht, eine konkrete Steuerstraftat anzuzeigen.3

Unerwähnt bleibt jedoch, dass selbst wenn der Journalist keine Absicht hatte, die Steuerstraftat anzuzeigen, die Behörden aber aufgrund der umfangreichen Berichterstattung und konkreten Informationen auf einen Top-Manager der 1. Bundesliga selbst hätten tätig werden müssen und ein Ermittlungsverfahren einleiten. Hoeneß stand also zumindest knapp vor der Entdeckung.

Ebenso glaubte die Kammer nicht der Einlassung, Hoeneß habe gleich nach dem Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz „reinen Tisch machen“ wollen. Dagegen spreche allein, dass er einen Großteil der dafür erforderlichen Bankunterlagen erst angefordert habe, als er von den Recherchen des Journalisten erfuhr. „Systematisch und planmäßig“ hatte er veranlasst, dass ihm keine Belege (Kontoauszüge) zugesandt werden.

Unter Abwägung sämtlicher für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer die Einzelstrafen, die sie „unter maßvoller Erhöhung der höchsten Einzelstrafe“ von 2 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe gem. §§ 53, 54 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten aufrechnete:

Jahr Steuerverkürzung Strafe
2003 14.934.493,49 EUR 2 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe
2004 00.142.151,30 EUR 6 Monate Freiheitsstrafe
2005 10.749.872,65 EUR 2 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe
2006 00.323.750,72 EUR 7 Monate Freiheitsstrafe
2007 01.149.174,90 EUR 1 Jahre und 3 Monate Freiheitsstrafe
2008 00.894.486,47 EUR 1 Jahre und 3 Monate Freiheitsstrafe
2009 00.268.301,67 EUR 7 Monate Freiheitsstrafe

Die Erhöhung fiel für bayrische Verhältnisse tatsächlich ausgesprochen maßvoll aus, wenn man bedenkt, dass allein zwei Einzelstrafen von 2 Jahren und 6 Monaten einzubeziehen waren. Die Kammer konstatiert selbst, „in erheblichem Maße von den durch den BGH in seinem Urteil vom 02.12.2008 entwickelten Grundsätzen zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung abgewichen“ zu sein, weil dies wegen außerordentlicher Umstände des Einzelfalles geboten gewesen sei.

Vergleichbares Urteil derselben Strafkammer

Natürlich obliegt die Strafzumessung dem Tatrichter und orientiert sich am jeweiligen Einzelfall. Vergleicht man die Einzelstrafen mit einem Urteil derselben Kammer vom 07.05.2013 (W5 KLs 68 Js 26914/11), so fällt auf, dass die Kammer dort in allen Fällen, in denen der Steuerschaden über 100.000 Euro lag, eine Einzelstrafe von 2 Jahren 9 Monaten für tat- und schuldangemessen hielt. Dort berücksichtigte die Kammer strafmildernd das bereits im Ermittlungsverfahren frühzeitig abgegebene Geständnis und die in erheblichem Umfang vom Angeklagten gemachten Angaben, die zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben. Allerdings lag dort der Steuerschaden bei ca. 3 Millionen Euro, was zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren führte. Jedoch war der Angeklagte auch schon erheblich einschlägig vorbelastet.

Die Selbstanzeige von Uli Hoeneß muss also, auch wenn sie nicht aus freien Stücken erfolgte und zudem unwirksam war, in hohem Maße strafmildernd berücksichtigt worden sein. Zu gern hätte man die Ansicht des Bundesgerichtshofs zu dieser Problematik gehört.

„Bild“ erklärt die Strafzumessung unter der Headline „So errechnete der Richter das Strafmaß“ dem Leser übrigens wie folgt:

Das Urteil setzt sich aus sieben Einzelstrafen zusammen, aus denen eine Gesamtstrafe gebildet wird. Addiert man die sieben Einzelstrafen, wäre eine Höchststrafe von neun Jahren, zwei Monaten heraus gekommen. Darüber hinaus hätte das Strafmaß nicht gehen dürfen. Als unterste Strafe ist die niedrigste Einzelstrafe gesetzt. Bei Hoeneß hätte die Strafe also zwischen sieben Monaten (niedrigste Einzelstrafe) und neun Jahre, zwei Monate (alle Einzelstrafen zusammen) liegen können.4

Da kann man nur froh sein, dass der Richter das Strafmaß so jedenfalls nicht errechnet hat.

  1. S. 23 UA []
  2. S. 49 UA []
  3. S. 16 UA []
  4. Hervorhebung hier []

6 Kommentare zu “Strafzumessung im Urteil gegen Uli Hoeneß

  1. Das von Ihnen genannte Urteil des LG München II vom 07.05.2013 hat der dort tätige Verteidiger zum Fall Hoeneß wie folgt in Beziehung gesetzt:

    In einem Urteil vom 7.5.2013 hat die 5. Strafkammer unter Vorsitz von Herrn Rupert Heindl gegen meinen Mandanten für jede Steuerhinterziehung, die über einer Hinterziehungssumme von 100.000,– Euro lag, eine Einsatzstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten festgelegt. Dieser Hinterziehungsbetrag wurde im Fall von Uli Hoeneß 280 Mal überschritten. Und trotzdem enden wir für alles nur bei 3 Jahren und sechs Monaten? Das ist nicht nachzuvollziehen. Mein Mandant, obwohl ein braver Bauer, hatte übrigens nach zwei Jahren Haft noch keine Gelegenheit, als Freigänger zu seinem Grundstück zurückzukehren und seiner Mutter bei dessen Bewirtschaftung zu helfen. Es wird demnächst zwangsversteigert. Vier Generationen haben dort gelebt. Das war etwas mehr als Bayern München in der Bundesliga.

    http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/12/28/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-3/comment-page-4/#comment-34154

    • @OG:

      In diesem Verfahren wurden von der Verteidigung keine Beweisanträge gestellt. Alles konzentrierte sich dort auf die Scheinfrage, ob eine wirksame Selbstanzeige vorlag. Die hatte der BGH in 2010 schon klar beantwortet: “Diese Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass die Finanzbehörde auf ihrer Grundlage in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen” (Beschluss vom 20.5.2010 – 1 StR 577/09).

      Es fällt tatsächlich schwer zu glauben, dass in diesem Verfahren keine Verständigung stattgefunden haben soll. Danke an Rechtsanwalt Strate für die offenen Worte.

  2. Hat der Mandant von Herrn Strate auch alles zeitnah zurückbezahlt? Hat er eine Selbstanzeige versucht? Hätte man die Beweismittel ohne seine aktive Mitwirkung (Herbeiholen aus der Schweiz) jemals erlangen können? War er geständig? Hat er außer der Steuerverkürzung auch noch sich persönlich bereichert? Hoeneß hat, soweit das der Presse und dem Urteil zu entnehmen ist, in den Folgejahren nicht verrechenbare Verluste gemacht, die Gewinne, aufgrund derer Steuern verkürzt wurden, also gar nicht „flüssig“ gemacht?
    Da verliert der „Faktor 280“ und die Strafzumessungsarithmetik doch deutlich an Gewicht. In Frankfurt a.M. gab es für das bandenmäßig aufgezogene Umsatzsteuerkarussell mit einem Schaden von mindestens 230 Millionen maximal 7 Jahre 10 Monate. (Süddeutsche Zeitung vom 21.12.2011).

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