Strafverteidiger verteidigen Menschen trotz ihrer Taten – dies sieht der Rechtsstaat so vor. Auch Terroristen und Massenmördern wird eine Verteidigung vor Gericht als ihr Menschenrecht zuteil, auch wenn Außenstehende meinen, das Menschenrecht hätten sie durch ihre Taten verwirkt. In regelmäßigen Abständen müssen sich auch Rechtsanwälte dafür erklären, warum sie auf Strafverteidigungen spezialisiert sind und wie sie so einen überhaupt verteidigen können.
Der norwegische Rechtsanwalt Geir Lippestad verteidigte u.a. den Attentäter von Utøya, Anders Behring Breivik, der im Juli 2011 insgesamt 77 Menschen ermordete. Im Magazin (Heft 29/2014) der Süddeutschen Zeitung berichtete er rückblickend über den Prozess und über seine Beweggründe, den Attentäter zu verteidigen:
Weil wir einen Terroristen wie einen Menschen behandeln und seine Rechte und Würde achten müssen, denn das ist unsere Stärke. Natürlich ist seine Tat schrecklich. Aber behandeln wir ihn anders als jemanden, der zwei Menschen umgebracht hat? Oder einen Mann, der eine Frau erst vergewaltigt, dann umbringt? Wenn wir von unseren Werten abrücken, weil eine Tat besonders schrecklich ist – wer zieht wo die Grenze? Das ist eine zutiefst ethische Frage.
Glaube an den Rechtsstaat
Es ist ein persönliches Interview, das Einblicke in das Leben des Advokaten gewährt und die Zeit und Erfahrungen des Prozesses, die er auch in einem Buch niedergeschrieben hat. Es geht ihm dabei vor allem um die Aufrechterhaltung von Werten – und darum, wie wir als Gesellschaft Menschen behandeln, die anders sind als wir. Er berichtet auch, wie seine Frau – eine Krankenschwester – ihm zu der Übernahme des Mandats riet, indem sie ihn fragte: Glaubst du, ein Arzt sagt, ich operiere jemanden nicht, weil er ein schlechter Mensch ist?
Gute und schlechte Menschen?
Kann man Menschen überhaupt einteilen – in liebe und komplett böse oder gute und schlechte? Ein Mensch bleibt in dem Wertesystem unseres Grundgesetzes ein Mensch, auch wenn er furchtbare Dinge getan hat, die eigentlich nicht zu erklären sind. Deshalb wird er bestraft, aber nicht ebenso hingerichtet. In unserem Land scheint dieses Verständnis noch nicht so tief verwurzelt zu sein wie beispielsweise in Norwegen. Dort war man hinterher stolz darauf, wie menschlich der Verbrecher behandelt wurde. Auch hielt die Mehrheit der Norweger das Urteil gegen Breivik – 21 Jahre Haft – für eine angemessene Strafe.
In Deutschland wird sich nach dem NSU-Prozess zeigen, wie es um den Rechtsstaat bestellt ist.
R. v. Weizsäcker startete bekanntlich seine erfolgreiche politische Karriere als Verteidiger seines Vaters in den Nürnberger Prozessen, und wurde dann glatt Bundespräsident.
Auch Göring, Keitel usf. durften sich lang und breit erklären, rechtfertigen und glorifizieren.
Verteidiger fehlen meist, oder werden blockiert, wenn es sich sowieso um Schauprozesse handelt. Und überhaupt: Grundrechte aberkennen darf eigentlich auch nur das Bundesverfassungsgericht ( und hat dies erst einige Male gemacht ).
Vielleicht wird Lippestad Justizminister, oder gar EU-Kommissar.