Das Risiko für Fehlurteile ist in Deutschland weitaus höher als man meint. Denn ob ein Zeuge glaubwürdig ist oder vielleicht suggestiv beeinflusst wurde, können die Richter nicht seriös entscheiden. Da hilft kein Fingerabdruckpulver, kein Funkzellenabgleich und auch keine DNA, in den allermeisten Strafprozessen in Deutschland steht am Ende schlicht die Frage, ob man einem Zeugen glaubt oder eben nicht. Eine große Fehlerquelle wartet gleich zu Beginn des Verfahrens: Warum läuft während der ersten polizeilichen Befragung hierzulande immer noch kein Band mit – so wie etwa in Großbritannien, Japan oder vielen anderen Ländern? Von der Vernehmungen bleibt am Ende nicht einmal ein Wortlautprotokoll übrig. Sondern nur eine grobe schriftliche Zusammenfassung der Antworten, vom Polizeibeamten selbst aufgesetzt.
Das Resümee aus dem Buch „Der Richter und sein Opfer“ des Spiegel-Journalisten Thomas Darnstädt ist eine massive Kritik an der deutschen Strafprozessordnung. Der Autor zeigt nicht, was passiert, „wenn die Justiz sich irrt“, sondern widmet sich der weitaus brisanteren Frage, warum das viel öfter passieren könnte, als man meint.
Der Autor Ronen Steinke schreibt dazu in der Süddeutschen Zeitung:
Das Buch ist anekdotisch, harte Empirie gibt es bei diesem Thema nicht; niemand kontrolliert die Wahrheitsfindung der Strafrichter systematisch. Darnstädt erzählt also Prozesse nach, die berühmt wurden, weil Zweifel blieben. Er seziert sie wie im Lehrbuch: Seht, wo überall Fehlerquellen lauern! Und erst kurz bevor man das Buch zuklappt und vielleicht denkt: na gut, bei den spektakulärsten Indizienprozessen der vergangenen Jahre – nur sie führt Darnstädt als Beispiele an – ist eine gewisse Fehlerquote möglicherweise unvermeidbar, kommt der Autor zu dem, was wirklich ein Systemfehler ist.
Justizfehler mit System: Was eine Zeugenaussage wert ist (mit Beispielen aus dem Buch)
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