Im Dezember verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen 37-jährigen Bundespolizisten zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, weil er heimlich das Kondom beim Geschlechtsverkehr entfernte. Zudem muss er 3.095,59 Euro an das Opfer zahlen. Dieses Urteil ist deutschlandweit vermutlich das Erste in einem Fall zum sogenannten Stealthing.
„Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Gericht schon mal darüber entschieden hätte“
Die Gerichtssprecherin des AG Berlin-Tiergarten
Was ist Stealthing?
Stealthing beschreibt das heimliche Abziehen des Kondoms beim sonst einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Allerdings muss die Verwendung eines Kondoms zur Bedingung für den Geschlechtsverkehr gemacht werden. Mithin ist das Abziehen nicht mehr von dem Einvernehmen gedeckt. Im vorliegenden Fall hatten der 37-jährige Verurteilte und die 21-jährige Polizeimeisteranwärterin zwar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, der Verurteilte hatte jedoch im weiteren Verlauf des Beischlafs heimlich das Präservativ abgezogen und den Geschlechtsverkehr fortgesetzt. Für die 21-Jährige war das Benutzen eines Kondoms Bedingung für den sexuellen Kontakt.
Gericht: Keine Vergewaltigung
Vor dem AG Berlin-Tiergarten musste sich der 37-Jährige wegen eines sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB verantworten. Eine Vergewaltigung sah das Gericht nicht in dieser Handlung, denn der Geschlechtsverkehr an sich war einvernehmlich. Fraglich war folglich, ob sich daran etwas ändert, wenn das zur Bedingung gemachte Kondom fehlt. Das AG Berlin-Tiergarten hat hier eine Entscheidung zur äußerst schweren Abgrenzung der Einvernehmlichkeit von sexuellen Handlungen treffen müssen. Laut den Ausführungen des Gerichts bleibt diese Einvernehmlichkeit auch bestehen, wenn im weiteren Verlauf des Geschlechtsverkehrs dann heimlich das Kondom abgezogen wird. Lediglich das Abziehen war in diesem Fall nicht von dem Einverständnis der 21-Jährigen gedeckt. Daher sah das Gericht auch nur eine Strafbarkeit in der Handlung des Abziehens des Kondoms an sich und nicht in der Penetration selbst.
Nein heißt Nein?
Vor dem Hintergrund der „Nein-heißt-Nein“-Debatte ist dieses Urteil diskussionswürdig und umstritten. Im vorliegenden Fall war gerade der Geschlechtsverkehr ohne Kondom nicht vom Einverständnis der 21-Jährigen gedeckt. Denn im Zuge der Neuregelung des § 177 StGB ist nur noch der entgegenstehende Wille des Opfers entscheidend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Es scheint sich um einen interessanten Präzedenzfall zu handeln. Die Frage ist – wie ist hier die Beweisage?
@Birgit Chengab: Es muss natürlich „Beweislage“ heißen. Sorry…