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Die „Brigitte“ und der NSU-Prozess

Vor etwa zwei Monaten war das Erstaunen in der Blawgoshäre groß, dass ausgerechnet die Frauenzeitschrift „Brigitte“ einen der begehrten Presseplätze für den NSU-Prozess um die Hauptangeklagte Beate Zschäpe im Oberlandesgericht München zugelost bekam.

Wir haben nun überlegt, einmal zu überprüfen, ob die „Brigitte“ den hohen publizistischen Ansprüchen, die man von ihr erwartete, gerecht geworden ist. Das wäre eigentlich Aufgabe für ein Medienmagazin (á la Meedia.de) gewesen, ich habe allerdings bisher nichts darüber lesen können. Oder habe ich etwas übersehen?*

So viel steht fest: Zumindest auf der Internetseite Brigitte.de findet man auf den ersten Blick kein sinnfreies Modegeschwätz,  keine gefühlsduseligen Kommentare – nicht einmal Beate Zschäpes Frisur wurde thematisiert. Das hat dankenswerterweise dann aber „Bild“ erledigt: „Die Nazi-Terroristin macht jetzt auf seriös“:

„Schwarze Halbschuhe, große silberne Creolen in den Ohren. Das Haar offen und vom Gefängnis-Friseur für 10 Euro kastanienbraun getönt, schlendert sie um 9.55 Uhr in den Gerichtssaal A 101, die Arme vor der Brust verschränkt.“

Für die „Brigitte“ beim NSU-Prozess ist Lena Kampf vor Ort und berichtet für die Internetseite brigitte.de und stern.de. Sie kommt vom Team Investigative Recherche beim „stern“. Dieser Kooperation ist es wohl auch die (vergleichsweise) würdige Berichterstattung zu verdanken.

Im Einzelnen sind folgende Artikel erschienen, garniert mit zwei Auszügen:

06.05.2013 Das Nichts im Blick der Beate Zschäpe
15.05.2013 Dem Terror keine Stimme

„Nicht einmal leise ‚Ja‘ wird sie sagen. ‚Ihr Name ist Beate Zschäpe. Geboren am 2.1.1975 in Jena, ist das richtig?‘ fragt der Vorsitzende Richter Götzl. Die Angeklagte könnte jetzt antworten. (…) Beate Zschäpe verweigert den Opfern und Hinterbliebenen, die am zweiten Verhandlungstag in den Gerichtssaal gekommen sind, auch diese einzige Antwort. Sie gibt dem Terror ihr Gesicht, aber nicht ihre Stimme.“

15.05.2013 Tag Drei: Gelächter und Vreschwörungstheorien
17.05.2013 NSU-Prozess: Die Anklage und „ein Götzl“
03.06.2013 Nicole Schneiders: Wer ist Ralf Wohllebens Anwältin?
05.06.2013 NSU-Prozess: Die Aussage von Carsten S.
07.06.2013 NSU-Prozess: Holger G. und die falschen Freunde
13.06.2013 Weiterer Rohrbombenanschlag auf Konto des NSU?
15.06.2013 Angeklagter Carsten S.: Der Wissende
19.06.2013 Mutmaßlicher NSU-Komplize André E.: Heldengedenken
21.06.2013 Eine Entschuldigung wäre zu wenig
24.06.2013 Neonazi-Spitzel: Party mit den NSU-Terroristen
26.06.2013 Das Grauen der Morde erreicht den Gerichtssaal
26.06.2013 NSU-Terrorzelle: Zwickau nach dem Tag X

„Hello Kitty“-Schuhe im Flur, Prosecco im Kühlschrank: Am 15. Verhandlungstag im NSU-Prozess geben Ermittler Einblick in das abgebrannte Versteck der Terrorzelle – und Beate Zschäpes altes Leben.

Welche Artikel es nun im Einzelnen nicht nur auf die Internetseite, sondern wirklich ins Heft geschafft haben, kann ich leider nicht beurteilen. Mir erscheint es immer noch befremdlich, eine derart ernste Thematik zwischen einem Dossier „ Jetzt oder nie: 24 Impulse für ein lebendiges Leben“, dem Modethema „Feminine Outdoor-Looks in Naturtönen“ und „himmlischen Obstkuchen“ zu platzieren. Außerdem zähle ich mich nicht zum regelmäßigen Leserkreis, um dies besser beurteilen zu können. Nicht einmal im Wartezimmer beim Arzt.

*Wenn ja, möge man mich bitte in den Kommentaren aufklären.