In § 46b StGB findet sich die sogenannte „Kronzeugenregelung“ oder genauer gesagt die „Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten“1.
Aktuell ist die Vorschrift durch den Prozess gegen Ali Osman, dem (wahrscheinlich ehemaligen) Vorsitzenden der „Satudarah“ wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Er soll von der Regelung Gebrauch gemacht haben, was seinen Rockerbrüdern wohl wenig gefallen hat.
Mit Inkrafttreten der Regelung am 1. September 2009 war allgemein bezweifelt worden, dass diese wirkungslos bleiben und kein „Aufhellen von Strukturen“ entfalten würde.2 Die zeitliche Grenze in § 46 Abs. 3 StGB und der enge Zusammenhang mit dem Abspracheverfahren (§ 160b StPO) lassen die Regelung allerdings zu einer interessanten Verteidigungsmöglichkeit3 im Vor- und Zwischenverfahren – also bevor ein Eröffnungsbeschluss (§ 207 StPO) ergeht – werden.
Aufklärungs- und Präventionshilfe schwerer Straftaten
§ 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB enthält eine Regelung zur Aufklärungshilfe für Straftaten in der Vergangenheit, während Nr. 2 die Präventionshilfe meint, also die Hilfe zur Verhinderung bereits von anderen Tatbeteiligten geplanter Straftaten in der Zukunft.
Anwendung findet § 46b StGB jedoch nur auf Tatbeteiligte einer Straftat, die im Mindestmaß mit erhöhter oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist; diese sind abschließend in § 100a Abs. 2 StPO aufgezählt. Damit scheiden alle Taten aus, für welche die Mindeststrafandrohung einen Monat Freiheitsstrafe oder Geldstrafe beträgt. Der Täter oder Tatbeteiligte muss aktiv und über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zur Aufklärung beitragen, also durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung einer Straftat beigetragen haben. Ausreichend dafür ist etwa das Offenbaren eines bislang unbekannten Tatbeteiligten oder von Tatsachen, die zur Überführung bislang Verdächtiger führen.4
Wettlauf zwischen mehreren Tatbeteiligten um die Kronzeugenregelung
Erfolg dieser Aufklärungshilfe muss die Aufdeckung dieser anderen Straftat sein; diese muss zur Überzeugung des erkennenden Gerichts feststehen, wobei Zweifel zu Lasten desjenigen Beschuldigten gehen, der sich die Kronzeugenregelung zugute kommen lassen will.5 Somit reicht ein bloßes Bemühen um Aufklärung – etwa durch Mitteilung von bereits bekannten oder gesicherten Tatsachen – nicht aus. In der Praxis führt dies häufig zu einem „Wettlauf“ zwischen mehreren Tatbeteiligten darum, wer als erster sein Wissen offenbahrt und dadurch von der Regelung in Form einer Strafmilderung (§ 49 Abs. 1 StGB) oder sogar eines Absehens von Strafe (§ 46b Abs. 1 S. 4 StGB; dies allerdings nur bei zeitiger Freiheitsstrafe) profitiert.6
- so die amtliche Überschrift des § 46 b im Strafgesetzbuch (StGB) [↩]
- Fischer, StGB (60. Aufl. 2013) § 46b Rn. 4 [↩]
- mit deutlicher Kritik an der Regelung: König, NJW 2009, 2481 [↩]
- Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB (28. Aufl. 2010) § 46b Rn. 13 [↩]
- BGH NStZ-RR 1998, 25; BGH StV 1989, 392 [↩]
- Fischer, a.a.O. Rn. 14a [↩]