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„Keine wünschenswerte Lebensform“

Viel ist in den letzten Wochen und Monaten über den NSU-Prozess sowie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu lesen gewesen – aber bei Weitem nicht alles war auch lesenswert. Jetzt, nur wenige Tage vor der Sommerpause in München, äußert sich der hochgeschätzte Claus Roxin in der FAZ zum Strafverfahren und bekundet darin eine bemerkenswerte Einschätzung:

„Es ist sicherlich keine wünschenswerte Lebensform, mit zwei Mördern zusammenzuleben, aber das macht einen Menschen noch lange nicht selbst zum Mörder“.

In seinem Werk „Täterschaft und Tatherrschaft“, das Standardwerk in der Rechtswissenschaft für diese Problematik, vertritt Roxin die These, dass Täterschaft immer eine Beherrschung des konkreten Tatgeschehens voraussetzt. Davon könne aber bei Beate Zschäpe keine Rede sein.

Für Roxin begründen die Tatbeiträge, die Zschäpe zugeschrieben werden, nicht mehr als eine „Mitwisserschaft“ und damit einen klassischen Fall der Beihilfe. Wenn die Legendierung allein ausreichen würde, um eine Mittäterschaft begründen zu können, gäbe es für Beihilfe keinen Anwendungsbereich mehr. Eine ähnliche Auffassung vertritt wohl Osman Isfen, der allerdings auf die teils abweichende Auffassung der Rechtsprechung hinweist. Der BGH unterzieht die Gewichtung der einzelnen Tatbeiträge einer wertenden Betrachtung: Ein geringe Beteiligung im Ausführungsstadium der Tat kann durch einen „Mehrbeitrag“ im Vorbereitungsstadium ersetzt werden (eine ausführliche Prüfung der möglichen Täterschaft findet sich hier).

Derzeit ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob die mutmaßlichen Täter Mundlos und Böhnhardt mit Beate Zschäpe während der Tatausführung in Kontakt standen. Eine Frau will bei einem der beiden Männer ein Mobiltelefon mit Freisprecheinrichtung entdeckt haben. In diesem Fall wäre die Angeklagte schwer belastet, denn eine „psychologische Unterstützung“ während der Tatausführung wäre geeignet, den Vorwurf einer Mittäterschaft zu erhärten.

Für eine Zwischenbilanz oder gar Prognose ist es allerdings zu früh. Das Oberlandesgericht München hat kürzlich bekanntgegeben, dass das Verfahren noch mindestens bis Ende 2014 dauern wird – mit jeweils drei Verhandlungstagen in der Woche.