K.-o.-Mittel1 sind chemische Substanzen, die eine narkotisierende Wirkung haben und auch therapeutisch als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Mehr als 30 Substanzen werden als K.o.-Tropfen benutzt. Dazu zählen Barbiturate, Benzodiazepine, Antihistaminika und trizyklische Antidepressiva, vor allem aber Gammahydroxybutyrat (GHB), v.a. bekannt als Partydroge „Liquid Ecstasy“. Derivate des GHB werden auch therapeutisch eingesetzt, etwa in der Anästhesie.
1. Wirkungsweise
Diese Mittel werden strafrechtlich relevant eingesetzt, um Anschlussstraftaten, insbesondere Sexualdelikte2 oder Raubtaten3 zu ermöglichen – die Opfer zu betäuben und damit wehrlos zu machen. Dazu werden die Mittel vor allem in Tropfenform den Opfern unbemerkt in Nahrung oder ihre Getränke gemischt, was oft zu Schwindelgefühl, schlagartigem Erinnerungsverlust („Filmriss“) und einem sedativen, hypnotischen, schlafinduzierenden Effekt führt. Nach dem Erwachen können sich die Opfer aufgrund von „Gedächtnislücken“ für die Wirkungszeit nicht mehr an die Tat oder den Tathergang erinnern.
2. Häufigkeit
Zwar haben in den letzten Jahren die Presseberichte über die Verwendung von K.-o.-Tropfen zugenommen, es existieren jedoch keine belastbaren epidemiologischen Daten zur Häufigkeit drogenassoziierter Sexualdelikte.4 Die häufigste, bei Sexualdelikten nachgewiesene Substanz ist nach wie vor Alkohol (ca. 40–60 %), gefolgt von illegalen Drogen (Cannabis, Kokain). Nur in wenigen Fällen (unter 2 %) konnten bei Routineuntersuchungen unfreiwillig eingenommene Medikamente und Drogen nachgewiesen werden. Hierbei stehen Benzodiazepine, gefolgt von anderen Hypnotika, im Vordergrund. Die als sog. „Date-Rape Drug“ häufig genannte Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB, „Liquid Ecstasy“) wird in Europa relativ selten mit entsprechender Sicherheit nachgewiesen. Das mag ursächlich mit den kurzen Eliminationshalbwertzeiten der Substanzen zusammenhängen.5 Deswegen jedoch von einer „urban ledgend“ zu sprechen, wird dem Tatvorwurf nicht gerecht. Die Fallzahlen rechtsmedizinischer Institute sind in den letzten Jahren zumindest eindeutig gestiegen.6
3. Nachweisbarkeit von K.-o.-Tropfen
Ein Nachweis der Verabreichung von K.-o.-Mitteln ist häufig schwierig, weil sich die Opfer nach der zeitweisen Amnesie mit vollständigem Verlust der Erlebniskontinuität nicht an den Vorfall erinnern können und sich erst zeitlich verzögert einem Arzt oder der Polizei anvertrauen. Der daraus resultierenden längeren Zeitspanne zwischen einer Beibringung der Substanz und der Asservierung von Blut-/Urinproben gelingt der chemisch-toxikologische Nachweis eventuell applizierter K.o.-Mittel daher oft nicht mehr; auch weil diese regelmäßig nur in sehr geringen Mengen beigebracht werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass Opfer, die eine Beibringung von K.-o.-Mitteln vermuten, zum Vorfallszeitpunkt oftmals höhergradig alkoholisiert waren. In manchen Fällen kann bereits die aus Trinkangaben berechnete Blutalkoholkonzentration zum Vorfallszeitpunkt eine Amnesie mit vollständigem Verlust der Erlebniskontinuität erklären.7
K.o.-Mittel lassen sich im Körper nur kurz nachweisen (im Blut ca. 8 Stunden, im Urin maximal 12 Stunden), bis diese vollständig abgebaut wurden. Nicht alle Labore können GBL oder GHB nachweisen, so dass es sinnvoll ist, sich für eine Analyse an ein Institut für Rechtsmedizin zu wenden. Die Kosten für diesen Test werden im Rahmen der Ermittlungen übernommen, wenn die Polizei die Vermutung eines Einsatzes von K.o.-Mitteln für begründet hält. Es kann jedoch auch schon zuhause – vor der Anzeige bei der Polizei – eine Urinprobe abgenommen werden. Diese sollte in einem Glas (min. 100 ml) gekühlt gelagert werden, bis eine Analyse veranlasst wird. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn sonst wegen einer großen Zeitspanne kein sicherer Nachweis mehr möglich wäre. In vielen Städten gibt es auch die Möglichkeit einer anonymen Spurensicherung8, wenn man noch nicht sicher ist, ob man Strafanzeige erstatten möchte.
Gelingt bei dem begründeten Verdacht auf Beibringung von K.-o.-Mitteln in Urin und Blut kein Substanznachweis mehr, bietet sich die Analyse einer Haarprobe circa vier Wochen nach dem Vorfall an. Verurteilungen wegen Beibringung von K.-o.-Mitteln mit Anschlussstraftaten sind in Europa vergleichsweise selten, vorwiegend wegen auftretender Beweisprobleme.9
4. Strafbarkeit der Verabreichung von K.-o.-Tropfen
Die Verabreichung von K.-o.-Mitteln ist strafbar und begründet für sich bereits den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 1 und ggf. Nr. 3 StGB. Werden diese Mittel dem Opfer gegen dessen Willen verabreicht, um den Geschlechtsakt vollziehen zu können, handelt es sich um eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 StGB. Nach Abs. 3 stellt das Mitsichführen eines Mittels, um den Widerstand einer anderen Person zu überwinden, einen strafverschärfenden Tatbestand dar. Der 4. Strafsenat des BGH (NStZ 2009, 505) hat den Einsatz von K.-o.-Mitteln mit dem Ziel, einen zu erwartenden Widerstand eines Raubopfers zu verhindern als klassischen Fall des „Beisichführens“ hervorgehoben10 – demzufolge wäre der Täter zu einer Freiheitsstrafe von nicht unter 3 Jahren zu verurteilen.
Ist das Opfer zwar mit der Einnahme der K.-o.-Tropfen an sich einverstanden, weiß aber nicht um die sexuellen Absichten des Täters, kommt eine Strafbarkeit des Täters nach § 179 StGB (sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) in Betracht.
- K.o.-Mittel sind vor allem K.o. (Knockout)-Tropfen, sog. (engl.) Date-Rape-Drugs [↩]
- Drug-Facilitated Sexual Assault – DFSA [↩]
- Drug-Facilitated Crimes – DFC [↩]
- Madea/Mußhoff, in: Deutsches Ärzteblatt. Jg. 106, Heft 20, 15. Mai 2009, S. 341–347 (online) [↩]
- Madea/Mußhoff, a.a.O. – Stand: 2009 [↩]
- Genaue Zahlen für München bei Christmann, Diss. Med München 2003, S. 10 (online) [↩]
- Madea/Mußhoff, a.a.O. [↩]
- Modell ASS (Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat), z.B. in Bremen, Köln [↩]
- Madea/Mußhoff, a.a.O. [↩]
- BGH, 27.01.2009 – 4 StR 473/08; a.A. Bosch, JA 2009, 737 [↩]
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