Vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck in Bayern findet derzeit ein kurioser Prozess statt: Ein Mechatroniker muss sich dort wegen Titelmissbrauch verantworten (§ 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB), weil er als „Strafverteidiger“ vor Gericht auftrat – allerdings ohne Rechtsanwalt oder ansonsten irgendwie juristisch ausgebildet zu sein.
Der Angeklagte hatte im vergangenen Jahr am Starnberger Amtsgericht einen Mann verteidigt, dem Schwarzfahren mit der S-Bahn vorgeworfen worden war. Sein „Mandant“ war nämlich vor der Verhandlung von der Polizei abgeholt und zur Polizeidienststelle in Germering verbracht worden. Dort war er ihm als Rechtsbeistand zur Hilfe geeilt und hatte sich aber gegenüber den Polizeibeamten als Strafverteidiger vorgestellt. Das gibt er auch unumwunden zu – nach seiner Auffassung sei dies auch zulässig. Der Polizist aber habe stattdessen in der Akte „Rechtsanwalt“ notiert. Dabei handelt es sich jedoch um eine geschützte Berufsbezeichnung nach § 132a StGB.
Kein Rechtsanwalt zu sein, kann teuer werden
Als Folge dieser „Verwechslung“ flatterte ihm nun ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 1.400 Euro (40 Tagessätze zu je 35 Euro) ins Haus. Dagegen legte der windige Strafverteidiger natürlich standesgemäß Einspruch ein (den Schriftsatz hätte ich gern einmal gelesen!).
Zur Verhandlung erschien er in Begleitung eines weiteren junges Mannes, der ihn verteidigen sollte. Man ahnt es bereits: Dieser war natürlich auch kein Rechtsanwalt und wurde dementsprechend nicht als Verteidiger zugelassen. Gegen diese Entscheidung legte er Beschwerde ein, mit der Folge, dass das Verfahren ausgesetzt wurde.
Nicht jeder könne sich einen professionellen Rechtsbeistand leisten
Gegenüber dem Merkur erläuterte der vermeintliche Strafverteidiger, warum er sich gegen den Strafbefehl zur Wehr setzt: Nach seiner Auffassung verhält es sich so, „dass hier von Seiten der Polizei lediglich die Begriffe Strafverteidiger und Rechtsanwalt verwechselt wurden“ – er also unschuldig sei, weil er die geschützte Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ nie verwendet hatte. Warum er sich als Strafverteidiger ausgebe? Es gebe schließlich Bürger, die könnten sich keinen professionellen Rechtsbeistand leisten – dann springe er ein.
Wir dürfen gespannt sein, wie das Verfahren enden wird.
Zumal Verteidiger nach § 138 StPO nicht zwingend Rechtsanwälte sein müssen…
Ich bin keine „Rechtsanwältin“ und verteidige trotzdem immer mal wieder Leute vor Gericht mit Genehmigung nach § 138 II StPO.
Jura habe ich nicht studiert, aber ich habe mir den Stoff selbst angeeingent , habe eigene Prozesserfahrung als Angeklagte, Betroffene und eben Verteidigerin. Vom Beruf bin ich Künstlerin, politische Aktivistin, Journalistin, Buchautorin.
Ich bin keine Volljuristin, das würde ich nie behaupten! Aber in Strafsachen, die 1 Vergehen zum Gegenstand haben, bin ich in der Lage andere Menschen vor Gericht zu verteidigen und ich mache es immer mal wieder. Es geht um Wahlverteidigung. (Siehe: http://blog.eichhoernchen.fr/tag/Laienverteidigung ). Es geht im Grunde genommen nur um Vergehen. Eine nach §138 II StPO genehmigte Person darf nämlich nicht als PflichtverteidigerIn genehmigt werden. In einem Fall der Pflichtverteidigung darf sie nur zusammen mit einer nach § 138 StPO gewählten Person verteidigen.
Ach und ich bekomme immer mal wieder Post von Gerichten, mit „Rechtsanwältin“ als Anrede, obwohl das Gericht mich ja nach §138 II StPO, einem § für Nicht-AnwältInnen, genehmigt hat.
Das ist so im Computerprogramm eingestellt und wird von der Geschäftstelle übernommen… In seltenen Fällen haben die auch das Wort „Wahlverteidiger“ oder „Rechtsbeistand“ als Anredemöglichkeit im Programm, das gibt’s auch
Am kommenden Freitag steht zum Beispiel vor dem AG Steinfurt 1 Prozess mit 2 Angeklagten und 2 zugelassenen VerteidigeInnen nach § 138 II StPO an. Der Prozess war im August nach 5 Stunden ausgesetzt und beginnt erst jetzt von neuem an, weil die Staatsanwaltschaft Münster keine AktivistInnen als VerteidigerInnen haben wollte und diese wegen ihrer poltischen Gesinnung aus dem Verfahren rauswerfen wollte. Das ging nicht auf, das Landgericht bestätigte die Genehmigung der VerteidigerInnen.
Es geht um diesen Prozess: http://nirgendwo.info/blog/2014/05/06/steinfurt-muensterland-prozess-gegen-uranzug-stopperinnen-beginnt-erneut/
Zitat: „Jura habe ich nicht studiert, aber ich habe mir den Stoff selbst angeeingent , habe eigene Prozesserfahrung als Angeklagte, Betroffene und eben Verteidigerin.“
Ich finde ziemlich beachtlich, dass Sie meinen, Sie könnten sich „anlesen“ wofür andere Leute 4-6 Jahre studieren und dann nochmal 2 Jahre Referendariat hinter, insgesamt also mindestens 6-8 Jahre brauchen – in Vollzeit!
Noch weniger verstehe ich Ihre Rolle neben Pflichtverteidigern. Was machen Sie dann da, was die Rechtsanwälte nicht machen/können?
Naja. Die Strafverteidigung umfasst nur einen Bruchteil dessen, was ich während des Studiums und während des Referendariats gelesen habe. Zudem beschränkt sich die Verteidigung durch juristische Laien im Regelfall auf ganz wenige Straftatbestände. Ich stehe solchen Laienverteidigern als Volljurist auch eher kritisch gegenüber, halte es aber nicht für ganz abwegig, dass solche Leute nach einigen eigenen Prozessen besser in der Lage sind, einen Angeklagten zu verteidigen, als ein Volljurist, der zwar 6-8 Jahre in Vollzeit studiert hat, es deswegen können sollte, seit 5 Jahren aber kein Strafrecht mehr gemacht hat und entsprechende Lücken auf dem Gebiet hat.
Eins stimmt aber: Mit einem Fachanwalt für Strafrecht oder einer spezialisierten Kanzlei liegt man besser, als wenn man sich an Laien wendet. Zumal die Kompetenz der Laien noch schwerer abzuschätzen ist, als die Kompetenz von Volljuristen, die sich zumindest zwangsweise irgendwann mit Strafrecht beschäftigen mussten.
Natürlich ist das wieder ein ganz anderes Problem, dass ein Rechtsanwalt, der das letzte Mal im Studium (über 10 Jahre her) Strafrecht gemacht hat, denkt, „mal eben“ noch etwas Strafverteidigung machen zu können.
Soviel zu Wahrnehmung bzw Interpretationen derselben:
Von „Anlesen“ hat “ die Autorin nichts geschrieben.
Aneignen kann z.b. durch Studium ohne Immatrikulation, als Gasthörer oder durch Praktika/Mitarbeit bei Fachanwälten sowie Teilnahme an selbsorganisierten Seminaren sein.
Von alldem hat die Autorin aber gerade nichts geschrieben, weshalb Interpretationen dahingehend müßig sind!
Ich werde hier nicht auf Einzelheiten eingehen, aber es gibt Seminare und es erfolgt in enger Kooperation mit Rechtsanwälten. Und das ist klar: ich kenne mich in allen Rechtsgebiete nicht aus! Für meinen Teil beschränke ich mich auf den Straf- und Polizeirecht – mit Zivilrecht beschäftige ich mich nur am Rande.
Es geht in der Regel um Verfahren mit politischem Hintergrund (CASTOR-Protest, etc.). Wenn ich mich mit anderen Menschen solidarisch zeigen will, will ich nicht nur Geld für Prozesskosten sammeln. Die Übernahme der Verteidigung ist eine weitere Möglichkeit und das geht auch ohne Rechtsanwalt zu sein. Das war meine Motivation, mir den Stoff so anzueignen, dass ich dann auch in der Lage bin, diese Rolle zu übernehmen. In meinem „Fachbereich“ kenne ich mich gut aus, das ist bei Prozessen mit politischem Hintergrund von Vorteil, wenn man die politische Bewegungen gut kennt.
zur der Frage nach der Rolle neben einem Pflichtverteidiger: Es geht um Wahlverteidigung und eine angeklagte Person darf bis zu 3 VerteidigerInnen haben. Wie viele VerteidigerInnen an einem Prozess mitwirken (egal ob es 1 Fall der Pflichverteidigung ist oder nicht) , das hat mit strategischen Überlegungen der Verteidigung zu tun.
Und zum eigentlichen Thema des Artikels, wenn nicht-AnwältInnen als „Anwalt“ bezeichnet werden….
Über den Prozess vor dem AG Steinfurt am vergangenen Freitag wurde in der MZ berichtet: http://www.muensterschezeitung.de/staedte/metelen/Atomprotest-vor-Amtsgericht-Mit-Hammer-und-Meissel-am-Gleis;art998,2356729
hier sieht man gleich: die zwei VerteidigerInnen werden im Presse-Artikel als “Anwalt” tituliert, obwohl sie zwar als Verteidiger-in auftraten, jedoch nicht als “Anwalt” oder „Anwältin“, das sieht man bereits daran, dass sie keine Robe trugen, etc… Selbst die Polizeizeugen sprachen die beiden VerteidigerInnen mit dem Begriff “Anwalt” und “Anwältin” an. Es zeigt, dass außerhalb von juristischen kreisen, im “Volksmund”, der Unterschied zwischen “Verteidiger” und ” Anwalt” nicht bekannt ist, jedenfalls nicht gemacht wird.
Der Prozess in Steinfurt geht am 16.5. weiter, es geht um den Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe.
mangels Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist es durchaus möglich
als
Assessor jur.
Strafverteidiger aufzutreten gem § 138 2 STPO
allerdings sollte man darauf achten dies auch deutlich zu machen – dass man eben nicht als *Rechtsanwalt* auftritt :-)