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Karlheinz Keppler: Frauenknast

In Deutschland gibt es nur wenige Frauengefängnisse – und die haben wiederum wenig mit dem Frauenknast aus der RTL-Serie „Hinter Gittern“ gemein. Lediglich sechs Prozent aller Haftplätze in Deutschland sind für Frauen – darin sitzen Mörderinnen zusammen mit Schwarzfahrerinnen, Jugendliche mit Dealerinnen und psychisch Kranken. Einer, der die Realität im Frauenstrafvollzug kennt, ist der Gefängnisarzt Karlheinz Keppler.

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Gefängnisarzt Karlheinz Keppler – seit 1991 Gynäkologe in der JVA für Frauen Vechta / © Mechthild Runnebom

Keppler ist seit 1991 Anstaltsarzt in der JVA für Frauen in Vechta (Niedersachsen). Zwar ist er (bislang) wohl nicht der bekannteste Knastarzt Deutschlands – diese Ehre wird dem „Tatort“-Schauspieler Joe Bausch zuteil, der seit 1986 in der JVA Werl arbeitet – dafür zählt Keppler aber im akademischen Bereich zu den bekanntesten und fachlich angesehensten.1 Nun macht er sein Wissen und seine Erfahrungen auch einem breiten Publikum im Buch „Frauenknast“ zugänglich: „Realistisch, offen, authentisch, wahrhaftig, schnörkellos, fast schonungslos“.2

Die Zahl der inhaftierten Männer sinkt, die der Frauen steigt

Keppler erzählt in dem Buch von menschlichen Abgründen, Aggressionen und Affären – ganz aus der Nähe, aber niemals voyeuristisch, drastisch, aber immer mit Empathie für die Frauen. Im Strafvollzug für Frauen geht es anders zu als in dem für Männer: Die Atmosphäre ist augenscheinlich heimeliger, trotzdem ist das Leben natürlich kein „Ponyhof“: Es gibt es Zickenkrieg, Lästereien, körperliche Gewalt und auch Fälle von Missbrauch.

Straffällige Frauen sind darüber hinaus deutlich öfter drogenabhängig: „Die Hälfte der Frauen hat schon einmal Heroin gespritzt“, sagt Keppler. Sein Arbeitsschwerpunkt ist dementsprechend die Sucht- und Entzugsbehandlung mit Methadon, was für den Gynäkologen bei seinem „Haftantritt“ vor 20 Jahren absolutes Neuland war.

Mütter sind eine Herzenssache Kepplers

Es gibt natürlich auch viele Mütter im Strafvollzug. In der JVA Frauen Vechta gibt fünf Plätze für Mütter mit ihren Kindern im geschlossenen Vollzug, 15 im offenen. Im geschlossenen Vollzug dürfen die Kinder nur bis zu ihrem dritten Geburtstag sein, damit sie sich später nicht erinnern, in einer Gefängniszelle gelebt zu haben. Im offenen Mutter-Kind-Vollzug gibt es keine Gitter an den Fenstern und auch keine hohen Mauern. Dort dürfen die Kinder bleiben, bis sie sechs sind – danach müssten sie in der Schule erzählen, dass ihre Adresse dieselbe ist, wie die der JVA. Zur Zeit gebe es nur etwa 100 Mutter-Kind-Plätze im Strafvollzug in ganz Deutschland.

Keppler spricht sich dafür aus, dass die gemeinsame Mutter-Kind-Unterbringung die Regelunterbringung bei Frauen mit Kindern sein sollte. Kinder würden den Frauen zusätzlichen Halt geben, ihrem Leben einen Sinn. Zudem lässt eine Verhaftung der Mutter und ihr Fehlen die Familie emotional zerstört zurück. Nicht selten sind die Väter alkoholabhängig und gewalttätig. Es komme zudem zu einer „sozialen Infektion“: Die Wahrscheinlichkeit wachse, dass auch das Kind später kriminell wird. Dementsprechend plagen die Frauen häufig entsprechende Probleme:

Beim Telefonat mit ihrem Mann hat eine andere erfahren, dass ihr kleines Kind 40 Grad Fieber hat. Jetzt wälzt sie sich schlaflos in ihrer Zelle. Der Mann ist ein Säufer. Und sie kann nichts tun. Auch Frauenknast ist Knast. Doch Frauenknast und Männerknast sind zwei völlig verschiedene Welten.

Natürlich muss Haft nicht immer zwingend negativ sein: Für manche Frau könne das Gefängnis sogar ein Schonraum sein: Der saufende oder prügelnde Mann ist zu Hause, die Frau kann sich erholen, zu sich kommen und sich über ihre Zukunft klar werden.

Alltägliches und Besonderes im Frauenknast

In seiner Sprechstunden sitzen die Frauen aber auch wegen normaler Leiden, wie Erkältung oder einem verstauchtem Fuß. Oder, weil sie schwanger sind. Das ist etwa der Fall, wenn sie schon schwanger in die JVA kommen oder es bei Hafturlauben oder Langzeitbesuchen passiert. Für diese Besuche gibt es in der JVA eine spezielle Zelle, in der Paare gemeinsam eine Nacht verbringen dürfen. So soll verhindert werden, dass die Beziehung oder Ehe nicht zerbricht. Dass diese stabil bleibe, sei wichtig, wenn die Frau aus dem Gefängnis entlassen werde.

Einmal wurde sogar ein Kind im Frauengefängnis geboren, was die absolute Ausnahme darstellt und in jedem Fall vermieden werden soll. Wenn aus Dokumenten hervorgehe, dass ein Kind in der JVA geboren wurde, wäre dies eine lebenslange Brandmarkung. In diesem Fall vor etwa acht Jahren ging die Geburt allerdings zu schnell – es waren schon die Haare des Babys zu sehen, als der Krankentransport gerufen wurde. Es war Kepplers 999. Entbindung – auf die Tausendste würde er gerne verzichten.

Keppler, Frauenknast, Buch, eBook, Heyne, Verlag, Rezension, Buchtipp Karlheinz Keppler:
„Frauenknast“

seit 13. Oktober 2014 im Heyne Verlag
als Paperback und eBook erhältlich, 304 Seiten
ISBN: 978-3-453-20073-9

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  1. Standardwerk: Keppler/Stöver (Hrsg.): Gefängnismedizin. Medizinische Versorgung unter Haftbedingungen. []
  2. Zitat aus dem Prolog des Buches []