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Von Konfliktrichtern

Dass Staatsanwälte in der Hauptverhandlung bisweilen den Konflikt suchen, ist nicht neu. Auch bekannt sind konflikthafte Strafkammervorsitzende. Neu sind jedoch vornehmlich junge Richter (am Amtsgericht oder noch auf Probe), die man nur als Konfliktrichter charakterisieren kann.

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Stellt die Verteidigung einen – nicht von der Hand zu weisenden – Antrag, etwa in Bezug auf Mängel in der Anklageschrift, steigt der Richter, ohne den Antrag überhaupt entgegenzunehmen, geschweige denn darüber nachdenken zu wollen, sofort in die Konfliktspirale ein. Ausgestattet mit einer Handreichung der Richterakademie oder einschlägiger Literatur1 wird der Verteidigung mit erhobener Stimme das Wort entzogen, der Antrag auf später verschoben oder sodann wie folgt – ersichtlich mangelhaft – abgelehnt:

Der Antrag der Verteidigung wird abgelehnt.
Gründe: Die Einwände (…) gegen die Formunwirksamkeit verfangen nicht.

So erlebt kürzlich an einem Amtsgericht in Hamburg. Auf meinen (freundlichen) Hinweis, dass diese Ansicht entgegen § 34 StPO keine Begründung enthält, entfachte sich ein Wortgefecht. Der Vorsitzende lehnte es jedoch ab, seine Begründung nachzubessern. Da der Angeklagte dennoch keine Befangenheit besorgte – oder dem Konflikt aus dem Weg gehen wollte – blieb es dabei.

Konfliktrichter sind im Strafprozess fehl am Platz

Ich nehme immer häufiger eine Voreingenommenheit gegenüber der Verteidigung wahr, die sich schließlich auch auf die Funktionsfähigkeit der Justiz auswirkt und diese mitunter infrage stellt. Der sorgsam formulierte Antrag der Verteidigung ist kein Angriff auf das Gericht!

Nehmen die Klagen über die Überlastung der Justiz stetig zu, muss andererseits auch bedacht werden, dass gerade solche Scharmützel unendlich viel Zeit auf beiden Seiten kosten können. Warum ist ein Richter nicht bereit, sich den Antrag zumindest anzuhören und erst danach zu entscheiden? Weshalb unterstellt er, der Antrag werde allein des Konflikts wegen gestellt? Warum nimmt sich der Richter nicht die Zeit, 10 Minuten nachzudenken und dann einen vernünftig begründeten Beschluss zu fassen? Dagegen ist so der weitere Ablauf doch vorgezeichnet: Es folgt eine Unterbrechung auf die nächste, ein Ablehnungsantrag auf den nächsten. Damit ist dann nicht nur dieser Richter befasst, sondern noch seine Kollegen, die über die Anträge entscheiden müssen. Nach dem unleidlichen Urteil folgen dann die Berufung und die Revision.

Jeder Angeklagte darf erwarten, dass ein Gericht seine Anträge nicht bloß entgegennimmt2 – sondern diese erkennbar auch verarbeitet. Umgekehrt ist dies eine Selbstverständlichkeit:

Würde man die pauschale, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher belegte Angabe des Tatrichters, dass ein bestimmtes Verfahrenshindernis bestehe oder eine Verfahrensvoraussetzung fehle, für ausreichend erachten, so wäre der betreffende Verfahrensbeteiligte in Unkenntnis des vom Gericht als gegeben unterstellten, aber nicht mitgeteilten Sachverhalts (…) nicht in der Lage, die Entscheidung sach- und formgerecht anzufechten.3

Setzen Richter hingegen in der Erwartung von Konfliktverteidigung selbst die Konfliktspirale in Gang, müssen sie sich über eine entsprechende Reaktion der Verteidigung nicht wundern oder sich darin gar selbst bestätigt sehen. Denn wer Wind sät, wird Sturm ernten.


  1. etwa Heinrich, Konfliktverteidigung im Strafprozess; Artkämper, Die „gestörte“ Hauptverhandlung, wobei der Verlag letzteres bereits Referendaren in der Strafstation empfiehlt! []
  2. vgl. nur BVerfGE 11, 218 (229) []
  3. BGH, Urt. v. 19.10.2010 – 1 StR 266/10 []

15 Kommentare zu “Von Konfliktrichtern

  1. Sie nerven halt bei der schönen Durchverurteilerei. Wenn der Staatsanwalt anklagt, wird wohl was dran sein!
    Und überhaupt, wie sitzt der Angeklagte da überhaupt rum, im Kaputzenpulli. Der muss doch was gemacht haben! *ironieoff*

  2. Da haben wir es ja schon: der Einwand, das dem Angekl. zur Last gelegte Verhalten sei aus Rechtsgründen nicht strafbar, ist einfach kein Fall des § 206a StPO.

    • Es war schon etwas umfangreicher. Die Anklageschrift war mangelhaft und dadurch auch der Eröffnungsbeschluss.

      Aber selbst wenn es so wäre, dass es kein Fall des § 206a wäre, warum kann man dies nicht in einem Satz begründen? Da würde sich kein Richter einen Zacken aus der Krone brechen und den Konflikt in der Hauptverhandlung vermeiden.

  3. In der Hauptverhandlung gilt allerdings 260 Abs. 3. Danach wird am Ende der HV durch Prozessurteil entschieden. Außerdem gilt die Regel Freispruch vor Prozessurteil.

  4. Gibt’s hier irgendwelche prinzipiellen Einwände gg Amtsrichter?
    Ich dachte, der Blogverfasser sei frei von Vorurteilen.

  5. Interessant zu hören, dass derartige „französische“ Verhältnisse nun offenbar auch in Deutschland langsam Einzug zu halten scheinen. Der Grund mag – wie hier bereits angedeutet – Überlastung zu sein, was allerdings keinerleicht Rechtfertigung ist und vor allen Dingen im Endeffekt mehr Zeit kostet…

      • Ähem… innerhalb der HV nach § 206a einstellen? So sehr ich auch für allgemeine Nettigkeit im Gerichtssaal bin und unnötige Scharmützel schon wegen Faulheit vermeiden versuche, vielleicht wäre ich da auch kurz angebunden gewesen…

  6. Auch dumme Richter verwechseln öfter Gutmütigkeit mit Dummheit. Zumal die meisten Gesetze immer noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, auch wenn sie 1902 zum Gesetz wurden, zwischen 33 und 45 „Aufgefrischt“ wurden und dann „schriftlich Angepasst“ wurden. Juristen sind die kriminellen dieser Republick.

  7. Weil man nicht über jedes Stöckchen springen muss, dass einem hingehalten wird…

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