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Ein guter Weg, um arm und unbeliebt zu werden

Mal ehrlich, Strafverteidiger gehören hierzulande nicht unbedingt überall zu den beliebtesten Vertretern der Anwaltschaft. Die Strafverteidiger Udo Vetter und Carsten Hoenig haben schon darüber geschrieben – aber sicherlich auch viele andere werden regelmäßig gefragt, wie er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann „so einen“ Menschen auch noch zu verteidigen. Schon in der Formulierung schwingt eine Einteilung der Menschen in zwei Klassen mit, die Guten und die schlichtweg Bösartigen.

Foto: Marko Shaletzki / pixelio.de

Weitaus schlimmer ist die Situation jedoch in Amerika. Dort hat Andrew Hammel zehn Jahre als Strafverteidiger für Menschen im Todestrakt gearbeitet. In der Legal Tribune Online (LTO) spricht er über seine Erfahrungen aus jener Zeit in Texas – und auch darüber, wie weit es mit der moralischen Überlegenheit Deutschlands wirklich her ist:

Wenn Sie in einer Umfrage abstrakt wissen wollen, ob jemand für oder gegen die Todesstrafe ist, sprechen sich in Amerika ungefähr 60% und in Deutschland 20% bis 25% dafür aus. Wenn Sie aber konkret fragen, ob es diese Strafe für jemanden geben sollte, der ein kleines Kind vergewaltigt und getötet hat, dann bejahen das auch in Deutschland zwischen 55% und 65% der Befragten.

Wirklich „reich“ werden mit Strafverteidigungen nur die wenigsten Rechtsanwälte – das ist in Amerika und in Deutschland ungefähr dieselbe Situation:

Da die Todeskandidaten praktisch nie in der Lage sind, für ihre Anwaltskosten selbst aufzukommen, finanziert diese der Staat. Über die Bewilligung entscheidet der Richter, vor dem auch das Verfahren stattfindet – und der, wie gesagt, oftmals überzeugter Anhänger der Todesstrafe ist. Dadurch kommt es häufig vor, dass Verteidigungsmaßnahmen als mutwillig und nicht ersatzfähig deklariert werden, und die Anwälte nur die Hälfte oder noch weniger ihres eigentlichen Honorars erhalten – und das dann um viele Wochen verspätet. Auch in der Gesellschaft genießt man in Texas keinen guten Stand, wenn man den Leuten erzählt, dass man Vergewaltiger und Mörder vertritt. Letztlich ist das also ein guter Weg, um arm und unbeliebt zu werden.

Eine entscheidende Frage kommt jedoch in der Diskussion regelmäßig zu kurz: Woher soll ein Strafverteidiger denn wissen, ob sein Mandant wirklich die Tat begangen hat, also „schuldig“ ist? Nicht alle Mandanten pflegen gegenüber ihren Anwälten die Wahrheit zu sagen – das ist übrigens nicht nur in der Strafverteidigung so. Ob jemand die Tat begangen hat, wird häufig erst die Hauptverhandlung zutage fördern. Ein Beschuldigter hat so lange als unschuldig zu gelten, bis das Gericht ihn nach durchgeführter Hauptverhandlung für schuldig befunden hat. Bei Übernahme des Mandats kann der Strafverteidiger also oft noch gar nicht wissen, ob es wirklich so war wie es dem Mandanten zur Last gelegt wird.

Und selbst nach einem Schuldspruch können Zweifel an der tatsächlichen Schuld bleiben, denn die Zahl der Fehlurteile ist in Deutschland keineswegs so niedrig wie man gemeinhin annimmt. Sonst gäbe es auch keine Berufungen oder Wiederaufnahmeverfahren.


2 Kommentare zu “Ein guter Weg, um arm und unbeliebt zu werden

  1. Mit Pflichtverteidigungen wird man in Deutschland nicht arm. Die Realität ist eher, dass Richter Anwälte als Pflichtverteidiger bevorzugen, weil sie gut mit ihnen können. Dass so etwas zweifelhafte persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeiten kreiert wird von der Richterschaft wie der Anwaltschaft gerne verschwiegen. Fallabhängig kann sich eine Pflichtverteidigung für einen durchaus lohnen. Nicht nur in Form des Pflichtverteidigerhonorars (es können durchaus Tausende von Euros sein) sondern auch als Türöffner zur Szene. Unsinn ist auch die Mär vom Kindervergewaltiger. Das sind die Fälle die in der Presse groß ausgebreitet werden und spektakulär sind, aber einen vergleichsweise geringen Teil der Straftaten ausmachen . Die Mehrzahl der Straftaten erfolgt innerhalb des Milleus – Täter und Opfer kennen sich zumeist. Die Grenzen zwischen Täter und Opfer sind oft fließend oder sogar abwechselnd. Ich habe als Anwalt auch Mordfälle bearbeitet. Bis auf einen Fall erfolgten diese innerhalb des kriminellen Millieus. Damit sind es natürlich immer noch Straftaten! Und was die Kindesmisshandlungen und den Kindesmissbrauch betrifft: nicht der Täter hinter dem Busch (den es natürlich auch gibt) ist die große Gefahr. Die meisten Fälle erfolgen innerhalb von kaputten Familien. Das ist das große Drama dieser Fälle! Übrigens habe ich meinen damaligen Mandanten, unter denen sich auch lang gediene Knackis befanden, durchaus mitgeteilt, dass ich ihr Verhalten alles andere als gut finde. Zum braven Bürger: eine Vielzahl meiner Fälle waren Verkehrsdelikte (Trunkenheit, Geschwindigkeitsüberschreitungen, Fahren ohne Führerschein während eines Fahrverbots) die von den so genannten Leistungsträgern unserer Gesellschaft begangen wurden. Kein Mensch ist ohne Sünde und der ein oder andere anständige Bürger wird schneller zum Straftäter als ihm lieb ist ! Warum habe ich als Strafverteidiger gearbeitet: weil ich selbst nicht aus einer heilen Welt komme, ich nur aufgrund meines Glücks auf der „richtigen“ Seite der Gesellschaft stehe und weil ich mit den vermeintlich „klaren Verhältnissen“ der dunklen Seite des Menschen besser umgehen konnte als mit der verlogenen Scheinheiligkeit der Anständigen oder der eiskalten Wirtschaftskanzleien (Freistellen ist eben nichts anderes als menschliche Existenzen vernichten) und der sauberen Macher. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein !

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