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Ein Biss muss kein Biss sein

Ordnungsbehörden bekommen es landauf landab immer öfter mit sog. Gefahrhunden zu tun, also Hunden, bei denen von ihrer Rassezugehörigkeit oder einer vorausgegangenen (potentiell) gefährlichen Handlung von einer höherer Gefährlichkeit ausgegangen werden muss als bei anderen Hunden. Die Regulierung dieser ist Ländersache und so existieren in allen Bundesländern unterschiedliche Regeln. So kann beispielsweise ein Hund in Hamburg vom Leinenzwang befreit sein, ein paar Kilometer weiter in Schleswig-Holstein aber unter Umständen grundsätzlich an der Leine zu führen sein.

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Restriktives Gefahrhundegesetz in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein gibt es ein relativ restriktives Gefahrhundegesetz (GefHG), das Hunde, die einmal gebissen haben sofort und ohne Ermessensspielraum für die Ordnungsbehörde als gefährlich ansieht. Diese Gefahrhunde sind dann immer an der Leine zu führen; im Falle, dass die einen Menschen gebissen haben auch immer mit Maulkorb zu führen1. Dem Gesetz liegt die vertretbare und nachvollziehbare Annahme zugrunde, dass grundsätzlich jeder Hund (so wie auch jeder Mensch) bedingt durch Ursachen unterschiedlichster Art, zur Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen werden kann2. Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht hat eine Vorlage des Verwaltungsgerichts zwar als unzulässig zurückgewiesen und somit zur Verfassungsmäßigkeit keine Stellung genommen; die Rechtsprechung des Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts Schleswig gilt allerdings in dieser Frage mittlerweile als gefestigt: Das Gefahrhundegesetz ist zwar relativ unflexibel und hart, dies ist jedoch zu respektieren, da der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten hat. Nur für Hunde, die ihre Gefährlichkeit zumindest ein Mal durch ein dem Tatbestand des § 3 Abs. 3 GefHG unterfallendes Verhalten bewiesen haben, hat er besondere Rechtsfolgen für die Haltung angeordnet. Diese Rechtsfolgen sind – gemessen am Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter – nicht unverhältnismäßig, sondern gelten als zumutbar.

Im Sinne des § 3 Abs. 3 GefHG gelten

  1. Hunde, die eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine in ihrer Wirkung vergleichbare, Mensch oder Tier gefährdende Eigenschaft, insbesondere Beißkraft und fehlende Bisslösung, besitzen,
  2. Hunde, die einen Menschen gebissen haben, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah,
  3. Hunde, die außerhalb des befriedeten Besitztums der Hundehalterin oder des Hundehalters wiederholt in gefahrdrohender Weise Menschen angesprungen haben oder ein anderes Verhalten gezeigt haben, das Menschen ängstigt,
  4. Hunde, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben oder
  5. Hunde, die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh oder andere Tiere hetzen oder reißen.

Ein Biss muss tatsächlich gar kein Hundebiss sein

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal „Biss“ (Nr. 2 und 4) zu definieren ist. Hier genügt für den Biss bereits die Ausübung körperlicher Gewalt unter Einsatz der Zähne des Hundes; ein Zerfleischungs-„erfolg“ ist dagegen nicht begriffsnotwendig.3 Die Beweislast ist also relativ gering, da keine Wunde etc. zu sehen sein muss. Erfasst werden somit auch Fälle, in denen ein Welpe durch einen größeren Hund durch Festhalten im Nacken zu Tode geschüttelt wurden. Ein Biss des Hundes ist also nicht zwingend notwendig.

Ob der Hund abseits dieses einen Beißvorfalles ganz harmlos sein mag, sogar einen Wesenstest bestanden hat, spielt für die Feststellung der Gefährlichkeit des Tieres keine Rolle. Lediglich auf der Rechtsfolgenseite ist dies zu berücksichtigen bei der Frage, ob der Gefahrhund etwa von der Maulkorbpflicht befreit werden kann. Diese Befreiung kann allerdings nicht gewährt werden, wenn der Hund im Rahmen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 GefHG einen Menschen gebissen hatte.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zeigt sich ähnlich restriktiv und hat entschieden, dass das rheinland-pfälzische Landesgesetz über gefährliche Hunde Maßnahmen zur Abwehr der von Hunden ausgehenden Gefahren bereits vor dem ersten Schadensfall ermögliche. Dazu gehöre auch die Verpflichtung zum Anleinen und zum Tragen eines Maulkorbes.

  1. vgl. § 10 Abs. 5 GefHG []
  2. Gesetzentwurf der Landesregierung, LTDrS 15/3471 vom 25.05.2004 []
  3. VG Schleswig, Beschl. v. 17.05.2005 – 3 B 180/05, OVG NW Beschl. v. 26.01.1987 – 4 A 605/85 []