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Unter uns Betschwestern

Richter an Landesgerichten sind von einer gewissen Berühmtheit meist weit entfernt. Doch hin und wieder schaffen es einige, über ihren üblichen Wirkungskreis hinaus bekannt zu werden. Zu denen gehört der Vorsitzende Richter der 5. Strafkammer am Landgericht München I Peter Noll. Er hat seine eigene Rubrik bei Sueddeutsche.de, Zeit Online und auch bei Focus Online1.

In München ist er zuständig für die großen Wirtschaftsstrafsachen: Im Jahr 2006 verhandelte er den Siemens-Bestechungsskandal, später folgten Ex-Landesbanker Gerhard Gribkowsky sowie Formel 1-Chef Bernie Ecclestone. Aktuell entscheidet er, ob die Anklage gegen Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen sowie seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer zugelassen wird.

Noll: Ein Richter mit hohem Unterhaltungswert

Trotz oder gerade wegen der potentiell schwierigen und trockenen Materie pflegt der Vorsitzende Richter einen betont gelassenen Verhandlungsstil, würzt diesen aber stets mit ironisch-humorigem Unterton. Einen grimmig dreinblickenden Strafverteidiger spricht er gern schon einmal mit den Worten „unter uns Betschwestern“ an – dann ist allerdings Obacht geboten. Die freundliche Art hindert ihn jedoch nicht daran, in der Sache hart zu verhandeln – und auch zu verurteilen. Gribkowsky bekam achteinhalb Jahre von ihm aufgebrummt.

Dennoch geht es bei ihm immer fair zu: Der Ruf, den er sich in kniffeligen Wirtschaftsstrafsachen erarbeitet hat, ist exzellent. Das sehen übrigens selbst Staatsanwälte oder Strafverteidiger so, die unter seinem Vorsitz ein deftiges Urteil einstecken mussten, verrät das aktuelle Portrait über ihn in der Badischen Zeitung, die dafür offenbar fleißig den Flurfunk abhörte.

Allen Recht getan, ist eine Kunst die niemand kann

Noll hat es gerne bodenständig – Anglizismen sind ihm ein Dorn im Auge. Englischsprachige Schriftstücke verliest er schon aus Prinzip nicht, wie er sagt, um den Zuhörern seine schlechte Aussprache zu ersparen. Den 83-jährigen Briten Bernie Ecclestone begrüßte er jovial mit „Grüß Gott in Bayern“. Den entließ er am Ende gegen eine Zahlung von 100 Millionen Dollar – das hat wahrlich nicht allen gefallen. Dem begegnet er mit seinem Leitsatz: „Allen Recht getan, ist eine Kunst die niemand kann“. Nachsagen kann man ihm dennoch nicht, die Reichen und Mächtigen zu schonen – eher im Gegenteil. Die Entscheidung war eher ein Zeichen seines Pragmatismus.

Sollte Noll demnächst die Anklage gegen die Vorstände der Deutschen Bank mit dem Vorwurf des versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall zulassen, könnte der Prozess im nächsten Jahr beginnen – und zu einem der spektakulärsten Strafprozesse der deutschen Wirtschaftsgeschichte werden.

  1. Tragischerweise ist die Rubrik bei Focus Online allerdings mit dem falschen Peter Noll bei Wikipedia verlinkt – das wiederum ist geradezu symptomatisch für ein Magazin aus dem Hause Burda. []