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Was ist das Steuergeheimnis noch wert?

Das Steuergeheimnis ist das in § 30 AO näher ausgestaltete Grundprinzip des deutschen Steuerrechts. Dadurch werden Mitarbeiter der Finanzbehörden verpflichtet, im Besteuerungsverfahren gewonnene Erkenntnisse nicht an Dritte weiterzugeben. Doch wie viel ist dieses Grundprinzip wert, wenn 2.949 Finanzbeamte allein in Bayern Zugriff auf beliebige Steuerakten haben?

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I wegen Verletzung des Steuergeheimnisses im Fall Hoeneß brachte nun ans Tageslicht, dass jahrelang tausende Finanzbeamte in Bayern unkontrollierten Zugriff auf sämtliche Steuerakten, so auch die von Uli Hoeneß hatten. Die Staatsanwaltschaft kam so zwar zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Steuergeheimnisses gem. § 355 StGB vorliege – ein „bestimmter Tatverdächtiger“ habe dennoch nicht ermittelt werden können. Das Verfahren wurde deshalb nun eingestellt.

Aufgrund eines „Programmfehlers“ wurden Zugriffe nicht protokolliert

Insgesamt ergaben die Ermittlungen beim bayerischen Fiskus 8.130 Zugriffsberechtigungen für die elektronischen Steuerakten von Hoeneß, die Zahl der „personen- oder funktionsbezogenen Zugriffsberechtigungen“ lag bei 2.949, da einzelnen Mitarbeitern mehrere Berechtigungen eingeräumt waren. Jedoch nur bei 462 Mitarbeitern beziehungsweise deren Dienststellen seien die Zugriffe auf die Steuerakten überhaupt elektronisch protokolliert worden, die restlichen 2.487 Berechtigten konnten demnach ohne jede Kontrolle von ihren Arbeitsplatzterminals auf Steuerakten zugreifen und diese sogar ausdrucken. Wer von denen den fraglichen Steuerbescheid des Finanzamtes Miesbach vom 27.12.2011 an den „Stern“ weitergegeben habe, könne unter diesen Umständen natürlich nicht ermittelt werden.

Kein hinreichender Tatverdacht gegen einen Mitarbeiter

Zwar wurde ein Mitarbeiter befragt, der sich nach den ersten Steuer-Schlagzeilen über Hoeneß dessen Akte ohne dienstlichen Anlass teilweise angesehen hatte, dieser Beamte erklärte jedoch, er habe lediglich aus Neugier gehandelt und keine Informationen an Dritte weitergegeben. Der Tatverdacht ließ sich „aufgrund von ermittelten Details“ allerdings nicht erhärten.

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Unkontrollierter Zugriff auf sämtliche Steuerakten in der Finanzverwaltung Bayern // Foto: flown / pixelio.de

Das Steuergeheimnis und dessen besonderer Schutz

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1991 festgestellt, dass angesichts der Gefahren der automatisierten Datenverarbeitung ein Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe und Verwertungsverbot erforderlich sei (BVerfGE 84, 239 [280], BVerfGE 65, 1 [46]) – dieser besondere Schutz wurde offensichtlich vorliegend nicht umgesetzt. Ob dieser „Programmfehler“ mittlerweile behoben wurde und wie die Situation in anderen Bundesländern aussieht, ist bislang ungeklärt. Angesichts solcher Defizite sehe ich für eine elektronische Strafakte allerdings schwarz.


6 Kommentare zu “Was ist das Steuergeheimnis noch wert?

  1. Hat sich damit nicht die Leitung der Steuerverwaltung, sei es OFD oder Finanzamtsleitung schuldig gemacht durch unterlassen von Zugriffsbeschränkungen wirksam einzurichten?

    • Nein, der Vorsatz für eine Verletzung des Steuergeheimnisses fehlt, da das Nichteinrichten oder Überwachen der Zugriffsbeschränkungen oder Protokollierung nicht dem Zweck der Verwirklichung einer Verletzung diente.

      • Dass „der Vorsatz fehlt“ ist eine Pflichtverletzung, aber kein Beweis für „Unschuld“.
        Im Gegenteil. Dass ist Sabotage. Das Urteil im übrigen auch.

  2. Steuerakten lassen sich nicht ausdrucken, da sie nicht digitalisiert werden. In der Vergangenheit waren nicht mal die Erklärungen im System sondern lediglich deren Inhalte verkennziffert im Speicher.

    Die Mitarbeiter die auf die Daten des Beschuldigten zugegriffen haben,,haben die StDAV verletzt. Der Kollege der rein aus Neugier geschaut hat, nicht aber der der ihn schauen ließ. Also gibt es durchaus Konsequenzen.

  3. Es geht auch nicht um eine ausgedruckte Steuerakte, sondern um einen (offenbare´ESt) Steuerbescheid, der in irgendeiner Form ausgedruckt an eine Zeitung ging.
    Die StDAV ist ja recht eindeutig, was die Zugriffsberechtigungen angeht und die Protokollierung, abgesehen davon, dass Aufzeichnungen über die Zugriffe nach 2 Jahren zu vernichten sind
    Wenn es einen Programmfehler gegeben haben sollte, war wohl nicht nur Hoeneß betroffen.
    Andererseits sind ja bislang nicht so sehr viele Steuerbescheide geleakt, so dass die Anzahl unberechtigter Zugriffe zum Zweck der Veröffentlichung nicht unbedingt ein Problem darstellen dürfte, das weltbewegend ist.
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