Strafakte.de

Beiseiteschaffen im Sinne der Bankrottvorschriften

Die §§ 283 ff. StGB sanktionieren vorsätzliches Fehlverhalten während einer unternehmerischen Krise, wobei Abs. 1 Nr. 1 die Vermögensbestandteile des Unternehmens schützt, die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehören. Rechtsgut ist somit der Schutz der Insolvenzmasse vor einer unwirtschaftlichen Verringerung, Verheimlichung und ungerechter Verteilung zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft.1

Änderung der rechtlichen Zuordnung oder tatsächliche Zugriffserschwerung

Im „Mobilcom“-Urteil2 definiert der 3. Strafsenat (BGHSt 55, 107) das Beiseiteschaffen wie folgt:

„Ein Beiseiteschaffen i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn ein Schuldner einen zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand dem alsbaldigen Gläubigerzugriff entzieht oder den Zugriff zumindest wesentlich erschwert. Dies kann entweder durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung des Vermögensgegenstandes oder eine Zugriffserschwerung aufgrund tatsächlicher Umstände geschehen3.“

Die Zugriffserschwerung ist aufgrund der rechtlichen und der tatsächlichen Möglichkeiten eines (gedachten) Insolvenzverwalters zu beurteilen, der im Falle einer Insolvenz die Interessen der Gesamtgläubigerschaft wahrnimmt. Zu berücksichtigen sind dabei die Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner und ferner auch die ihm regelmäßig zur Verfügung stehenden Geschäfts- und Kontounterlagen.4 Nach allgemeiner Ansicht sind nur solche Vermögensverschiebungen erfasst, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechen5 und bei denen das Vorgehen des Täters subjektiv auf eine Benachteiligung seiner Gläubiger ausgerichtet sein muss6.

Beiseiteschaffen in Fallgruppen

Ein Beiseiteschaffen lässt sich in folgende Fallgruppen zusammenfassen7:

  1. Umgang mit schuldnerischen Geldern
    • Entnahme von Mitteln aus der Gesellschaft zur Gründung einer neuen Existenz
    • Verwendung für den persönlichen Lebensunterhalt
      (über das „Maß des Notwendigen und Üblichen“ hinaus)
    • Zahlung von Schmiergeldern
  2. Umgang mit schuldnerischen Forderungen
    • Abhebung von einem Geschäftskonto und Einzahlung auf ein nur ihm bekanntes Konto im In- oder Ausland
    • Einziehung einer Forderung der Insolvenzmasse
      (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens)
  3. Umgang mit schuldnerischen Grundstücken
    • Übertragung eines Grundstücks bei fehlender gleichwertiger Gegenleistung
    • Veräußerung einer Hypothek unter dem Betrag der Hypothekenforderung
    • Einräumung einer Auflassungsvormerkung
  4. Umgang mit beweglichem Anlage- und Umlaufvermögen bzw. Rechten
    • Veräußerung ohne entsprechende Gegenleistung oder Verschenken von Gegenständen
    • Wegnahme und Verkauf von Anlagevermögen und Waren zu eigenen Zwecken
  5. Umgang mit Verbindlichkeiten
    • Übernahme von Vertragspflichten ohne gleichzeitigen Erwerb von Vertragsrechten
    • Rückzahlung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen durch geschäftsführende Gesellschafter  an andere
    • Gesellschafter oder an sich selbst
  1. BGHSt 28, 371 [373] []
  2. BGHSt 55, 107 [113] []
  3. BGHSt 34, 309 [310]; RGSt 66, 130 [131] []
  4. BGHSt 55, 107 [115] []
  5. BGHSt 34, 309 [310]; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1 Beiseiteschaffen 2 []
  6. So zumindest: Tiedemann, in: Leipziger Kommentar (12. Aufl. 2009) § 283 Rn. 28 f. []
  7. Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.): Handbuch Wirtschaftsstrafrecht (4. Aufl. 2015) Kap. 7 I Rn. 112 m.w.N.; nach der Übersicht von Krause, in: Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 112 ff. []

2 Kommentare zu “Beiseiteschaffen im Sinne der Bankrottvorschriften

Keine Kommentare zugelassen