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Sind Raubkopierer wirklich Verbrecher?

In diesem Einzelfall offensichtlich schon: Wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke hat das Amtsgericht Aachen am 30. April 2013 gegen den gebürtigen Heinsberger Jens R. eine Haftstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verhängt, die aufgrund der Strafhöhe nicht zur Bewährung auszusetzen war. Verurteilt wurde der heute 33-Jährige als ehemaliger Verantwortlicher des illegalen Download-Portals „torrent.to“, über das Filme, Spiele, E-Books und weitere Medieninhalte heruntergeladen werden konnten. Nach Überzeugung des Gerichts betrieb R. diese Internetseite zwischen Dezember 2005 und April 2008 mit dem Vorsatz, dort mit größtmöglichem Profit Werbeplätze zu vermieten, die er über sein eigenes Werbenetzwerk vermakelte. Mit diesem Geschäftsmodell habe R. in Spitzenzeiten monatliche Einnahmen im fünfstelligen Bereich erzielt, so der Vorsitzende Richter.

In der mündlichen Urteilsbegründung wies das Amtsgericht Aachen auf die herausragende Stellung von „torrent.to“ hin. Diese illegale BitTorrent-Portalseite habe, so das Gericht, in Spitzenzeiten eine „marktführende Rolle“ gespielt und sei in dieser Hinsicht mit dem 2011 geschlossenen illegalen Streaming-Portal „kino.to“ vergleichbar gewesen. Deshalb sei ein ebenso hohes Strafmaß wie gegen den Chefprogrammierer von „kino.to“ im Fall des Jens R. angemessen – auch Torrent.to habe die dort aufgeführten urheberrechtlich geschützten Werke widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht.

Strafverschärfend wirkte sich nach Auffassung des Gerichts die hohe kriminelle Energie des Angeklagten aus. So habe er szenespezifische Verdunklungshandlungen vorgenommen, um seine Identität zu verschleiern – unter anderem mit der Registrierung des illegalen Download-Portals unter .to-Domain, dem Kürzel für Tonga. Seinen Mitarbeitern habe er extrem niedrige Löhne gezahlt. Es sei dem Angeklagten einzig und allein darauf angekommen, möglichst hohe Einnahmen durch die Aufrufe der über „torrent.to“ ausgelieferten Layer-Ads zu erzielen. Der Angeklagte hat sich im Strafverfahren nicht zu den Anschuldigungen eingelassen.

Mit dem Strafmaß ging das Gericht über die Forderung der Staatsanwaltschaft von 3 Jahren und 6 Monaten hinaus, während die Verteidigung einen Freispruch beantragte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Nach Überzeugung des Gerichts besteht zudem der Verdacht, dass R. noch über Gelder auf Schweizer Konten und über eine Stiftung in Liechtenstein verfüge. Mit Hinweis auf den hohen Fluchtanreiz durch das Strafmaß, den zeitweiligen Wohnort des R. im Ausland sowie ein noch laufendes Verfahren wegen Bankrott und Untreue erließ das Gericht sofort im Anschluss an das Urteil einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Dieser wurde noch im Gerichtssaal vollstreckt und die Untersuchungshaft angeordnet.

Quelle: Pressemitteilung der GVU