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Jurastudierende wünschen sich Todesstrafe zurück

Die Bereitschaft, Straftaten härter zu bestrafen, nimmt seit Jahren zu – und das, obwohl sowohl die Angst, Opfer eines Verbrechens zu werden, als auch die Kriminalität insgesamt zurückgehen. Dies hat eine Langzeitstudie von Franz Streng, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und seit 2014 Leiter der Forschungsstelle für Kriminologie und Sanktionenrecht, ergeben.

Todesstrafe: Mentalitätswandel bei Jurastudierenden

Es sind nach meiner Ansicht erschreckende Zahlen, deren Ursachen nun genauer untersucht werden sollten. Während in einer vorgelagerten Untersuchung im Jahr 1977 noch jeder dritte Jurastudent die lebenslange Freiheitsstrafe als zu scharf ansah, ist dies heute nur noch jeder fünfzigste. Dagegen sieht fast jeder Dritte die lebenslange Freiheitsstrafe als zu milde an und würden die Todesstrafe befürworten (31,9 % gegenüber 11,5 % im Jahr 1977). Diese Strafe sollte nach Ansicht der jungen Studierenden für „grausame“ Morde sowie für Sexualdelikte verhängt werden, wobei Kriegsverbrechen oder Straftaten an Kindern nicht zur Auswahl standen.

Vergeltung als Strafzweck, Resozialisierung untergeordnet

Diese Antworten gehen einher mit den Antworten der Jurastudierenden zum Strafzweck. Wer die „Sicherung der Allgemeinheit“ höher bewertete und das Ziel der Resozialisierung niedrig, befürwortete regelmäßig auch längere Strafen. Wer als Strafzweck „Vergeltung/Sühne“ und eine Abschreckung von Tätern favorisierte, sah mehrheitlich sogar die Todesstrafe als „gerecht“ an. Interessanterweise steht dieser strafbejahenden Haltung allerdings kein nennenswerter Anstieg der subjektiven Kriminalitätswahrnehmung gegenüber.

Sex and Crime sells … und verschiebt öffentliche Wahrnehmung

Es stellt sich daher die Frage, wie dieser Mentalitätswandel begründbar ist. Streng geht dazu auf mehrere mögliche Erklärungsansätze ein. Insbesondere würden Medien das hohe Interesse an Kriminalitätsthemen aufgreifen und dieses durch ihre intensive Berichterstattung verstärken. Dies ist ein erhebliches Problem, das wir auch hier im Blog bereits des Öfteren kritisiert haben. Vor allem Sexualdelikte werden in der Berichterstattung wesentlich häufiger thematisiert als andere Delikte und übersteigen dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung deren tatsächliche Häufigkeit. Hinzu kommen politische Akteure, die das Thema „Kriminalität und Strafe“ weniger sachlich als vielmehr medienwirksam behandeln – gerade im Sexualstrafrecht.

Auch an eine Verunsicherung in Folge der insgesamt rasanten gesellschaftlichen Entwicklung und an die inzwischen zunehmend stärkere Betonung der Opferperspektive sei zu denken.

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Die Todesstrafe ist eine sinnlose und unnötige Auslöschung von Leben // Foto: Lance Page (CC BY-NC-SA 2.0)

Der Autor der Studie, dessen Unbehagen über die eigenen Untersuchungsergebnisse förmlich zwischen den Zeilen hervordringt, zieht insoweit ein ernüchtertes Fazit: Obwohl die Kriminalität im Land insgesamt und auch das subjektive Bedrohungsgefühl gesunken seien, sei der Strafanspruch ausgerechnet bei jungen Juristen, die später einmal als Staatsanwälte, Strafrichter usw. arbeiten könnten, deutlich gestiegen.

* Studie zur Angemessenheit von Strafe: Jeder dritte Jurastudent will die Todesstrafe zurück

13 Kommentare zu “Jurastudierende wünschen sich Todesstrafe zurück

  1. Der Kreis der Befragten würde zutreffender beschrieben, wenn man „Abiturienten“ sagen würde.

    • Ja, das kann man so sehen – aber immerhin haben sich die Studierenden – aus irgendeinem Grund – für das Jurastudium entschieden. Von daher ist es schon interessant, mit welchen Überzeugungen sie das Studium beginnen.

  2. Das kommt halt davon, wenn man Jurastudenten nur zu Subsumtionsrobotern ausbildet – ähnliche Probleme gibts aber m.E. auch in der Verwaltungsausbildung. Es wäre sehr wichtig, entsprechende humanistische philosophische Inhalte einzubauen und ggf. auch zu prüfen. Durch Durchdenken und nicht nur reproduzieren sollte man eigentlich zu einem differenzierten Ergebnis kommen. Wer sich mit der Todesstrafe beschäftigt hat, wird sie meist ablehnen. Wer sich mit Kriminologie und Psychologie beschäftigt hat – und sei es über populärwissenschaftliche Werke – wird meistens einen erweiterten Einblick bekommen warum ein Täter eine bestimmte Tat begangen hat. Das wäre aber auch eine Aufgabe der Universität. Eine andere Frage ist ob das Schulsystem hier seiner Aufgabe nachkommt, eine Allgemeinbildung zu vermitteln. Wahrscheinlich waren das ja fast alles G8 Bulemielerner …

    • @Ralph Eisermann:

      Das kommt halt da­von, wenn man Ju­ra­stu­den­ten nur zu Sub­sum­ti­ons­ro­bo­tern aus­bil­det

      Hier waren die betreffenden Studierenden ja noch überhaupt nicht ausgebildet, da der Fragebogen Erst- oder Zweitsemestern vorgelegt wurde. Es geht also eher um die Überzeugungen, mit denen sie das Studium beginnen. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Überzeugung noch während des Studiums ändert …

  3. Die Universitäten müssen alle Anstrengungen unternehmen, einen Wandel herbeizuführen! Zur Ausbildung einer Juristin gehören unbedingt auch Vorlesungen zur Entwicklung der Verfassungen von Frankreich, England und Deutschland, einschließlich Vorlesungen in Philosophie usw. Dass die Todesstrafe gegen unser Grundgesetz verstößt, dürfte den Jurastudentinnen und Studenten dann relativ schnell geläufig sein!

  4. Man könnte ganze Bücher darüber schreiben mit Mutmaßungen, die diese Entwicklung zu erklären zu versuchen. Mir fallen auch viele mögliche Gründe ein. Wirklich interessant wären aber doch noch folgende Informationen:
    1. Ist die Strafwut allgemein in der Gesellschaft gestiegen oder betrifft dies insbesondere Jura-Stundenten?
    2. Wie verändert sich diese Haltung im Verlauf des Studiums?

    Denkt man an die Jura-Absolventen sollte man sich dann auch darüber Gedanken machen, dass die Gruppe der Juristen in den Parlamenten aber natürlich auch in den Verwaltungen eine große Zahl darstellt.

    Wenn man bei Erst- und Zweitsemester tatsächlich davon ausgehen darf, dass sie vom „Leben“ noch nicht so viel gesehen haben und ihre Prägung eher von Schule, Familie, Medien und sozialem Umfeld erhalten haben (das universitäre Studium bildet ja das sogenannten „höhere“ Denken mitunter erst aus), dann sieht man auch wo man ansetzen müsste, um diese Denkweisen zu ändern.
    Die Voraussetzung dazu wäre natürlich, dass man die Geisteshaltung auch ändern will und Resozialisierung und eine verbotene Todesstrafe auch als gesellschaftliche Errungenschaft begreift. Das kann man auch anders sehen. In anderen Ländern sieht man es als kulturelle Errungenschaft an, dass der Staat Menschen töten darf. Die USA sind ein solches Beispiel. Präsident Obama ist Verfassungsrechtler und tritt für die Todesstrafe ein. Recht ist eben immer gerade das, was irgendwo hingeschrieben wurde.

    Vielleicht sollte man in Deutschland keinen Schulabschluss bekommen, wenn man nicht über die Grundzüge von Strafe, Sühne und Resozialisierung unterrichtet wurde. „Staatsbürgerkunde“ gab es glaube ich in der DDR. Hier überlässt man es CSI Miami und Richter Hold und der BILD.
    Es gibt sicher schlaue Untersuchungen darüber, wie viele Morde, Körperverletzungen und sonstige Verbrechen ein Erstsemester-Student in seinem bisherigen Leben schon gesehen hat. Das sich dann ein diffuses Unsicherheitsgefühl einstellt mit dem Wunsch Verbrechen zu verhindern und Täter wirksam zu bestrafen, ist zumindest nicht verwunderlich.

    Auch die Verankerung von immer mehr Opfer-Gesichtspunkten und laute Schreie nach Verbrechensverhinderung und der oft damit verbundenen Vorverlagerung von Straftatbeständen ist ein Ergebnis dieses diffusen Gefühls, man müsse immer noch mehr gegen Straftaten tun.

    Es gibt inzwischen kluge Kritik, derartiger Entwicklungen und wenn die Universitäten das Steuergeld wert wären, dann täten sie gut daran, ihren Studenten diese Kritik und den Unsinn, der im Strafrecht veranstaltet wird näher zu bringen. Was die Schule versäumt hat, müssen die Universitäten nachholen. Daher sollte kein Jurastudent die sein Studium beendet haben, ohne Vorlesungen über Rechtstaatlichkeit, Philosophie, Verfassungsrecht, Kriminologie, Soziologie, Psychologie und Medien- und Kommunikationswissenschaft erfolgreich absolviert zu haben.
    Denn wichtig ist nicht, wie die Stundeten in die Unis hineingehen, wichtig ist, wie sie aus ihnen herauskommen.

  5. Jurastudenten hin oder her – nennen wir es die Meinung eines Teils der Bevölkerung. Und auf die Gefahr hin, jetzt mit Steinen beworfen zu werden: Die Bildunterschrift „Die Todesstrafe ist eine sinnlose und unnötige Auslöschung von Leben“ ist mir zu platt – ohne damit dem sicherlich völlig inakzeptablen System der USA das Wort reden zu wollen, nämlich Täter erst einmal so lange einzusperren, dass die Haftdauer unserer lebenslangen Freiheitsstrafe gleichkommt und sie erst dann zu exekutieren.

  6. Mmh, ich stecke gerade in der juristischen Ausbildung. Subsumtionsroboter sollen wir nicht werden und auch wenn ich nicht sagen kann, wie es mit dieser Meinung an meiner Uni steht, das Lehrpersonal diskutiert allerdings sehr und immer wieder Strafzwecke und das nicht nur 08/15 …

  7. Ich würde darin – mehr oder weniger – den üblichen Rückschwung des Pendels sehen. Mal wird der Sinn und die Berechtigung von Strafe überhaupt bestritten, mal kann die Strafe gar nicht hart genug sein … Mich überzeugt weder der Studienanfänger, der lebenslange Freiheitsstrafe für unvertretbar hart hält noch der Studienanfänger, der die Todesstrafe befürwortet – wenngleich ich die Motive für beide Haltungen nachvollziehen kann.

  8. Verwunderliche Studienergebnisse, heißt es doch, klar und eindeutig:

    „Artikel 102 GG

    Die Todesstrafe ist abgeschafft.“

    Hinzu tritt, dass sie in den meisten europäischen Ländern abgeschafft ist oder wenigstens nicht vollzogen wird.

    Man würde einen endlosen Juristenstreit produzieren, wenn die Frage aufgeworfen würde, ob die Verfassung geändert werden könnte, um die Todesstrafe einzuführen. Prognose: die Mehrheit würde dies verneinen.
    Klar ist, dass sie aktuell eindeutig nicht zulässig ist, aber ~30% der Studenten davon nichts gehört haben. Oder wenig verstanden.

    Die Erklärung ? Statt in der Schule Rechtskunde zu lernen konsumieren
    Jugendliche endlos amerikanische Fernsehserien und – die Nachrichten, was in den letzten etwa 14 Jahren zu einem nachhaltigen Rechtsruck geführt hat.

    ( Mir schwant Ungutes, wenn ich daran denke, was sich ergäbe, wenn man Milgrams Experimente heute wiederholte, und wahrscheinlich würde man die Ergebnisse nicht veröffentlichen… )

    • @Arne Rathjen, RA:

      Klar ist, dass sie ak­tu­ell ein­deu­tig nicht zu­läs­sig ist, aber ~30% der Stu­den­ten da­von nichts ge­hört ha­ben. Oder we­nig verstanden.

      Wie Sie aus dem Befund, dass ca. ein Drittel der befragten Studienanfänger die Todesstrafe befürworten würde, zu dem Schluss kommen, dieses Drittel wüsste nicht, dass die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft ist, verstehe ich nicht so recht.

      Wenn 30% der Befragten den freien Verkauf von Cannabis befürworten würden, wären Sie dann auch der Auffassung, die Betreffenden hätten von dem entsprechenden Verbot „nichts ge­hört“ oder „we­nig verstanden“?

  9. Ganz nach dem Film: Fire with Fire – Rache folgt eigenen Regeln, nützt nur die Todesstrafe etwas. Zitat: „Wenn ich im Gefängnis sitze, dann führe ich meine Geschäfte eben von dort weiter und lasse den Staatsanwalt ermorden. Denn die Zeit im Gefängnis ist auch nichts weiter als, Zeit.“ Dort wo die Deutschen heute erst ankommen, waren die USA schon vor über 200 Jahren, im wilden Westen.

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