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Jura-Studium: Für 300 Euro schreibe ich Klausuren anderer

Nein, natürlich nicht ich. Das Zitat aus der Überschrift stammt vielmehr aus einem Artikel von Emily Bartels in der ZEITCampus 01/2015:

Ich studiere Jura an der Universität Hamburg – und schreibe Klausuren für meine Kommilitonen. Große Hemmungen habe ich dabei nicht.

Klausuren für 300 Euro wie am Fließband

Angefangen habe es, als er ein paar Kumpel durch die Prüfungsphase boxen wollte und damals noch nicht einmal Geld dafür genommen hat. Irgendwann rief ein Fremder auf seinem Handy an und fragte, ob er auch gegen „gute“ Bezahlung für ihn Klausuren schreiben würde. Inzwischen melden sich neue Interessenten von Zeit zu Zeit von ganz von allein – Mundpropaganda macht’s möglich. Pro Prüfung lässt er sich 300 Euro bezahlen, 150 Euro vor Antritt und noch einmal 150, wenn die Klausur bestanden ist. Im letzten Jahr habe sich gar ein Interessent aus einer anderen Stadt gemeldet, für den er gleich fünf Klausuren schreiben sollte – vom Typ faul und auch noch unzuverlässig, aber mit dickem Geländewagen.

Jurastudium, Klausuren, Prüfung, Hausarbeiten, Ghostwriter, Übungsklausuren, bestehen, 4 gewinnt

Interessanter Artikel mit leichten Merkwürdigkeiten // Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Seit er einmal aber beinahe erwischt worden wäre, sei er vorsichtiger geworden und schreibe Klausuren nicht mehr zusammen mit den anderen, sondern der Bibliothek gegenüber vom Hörsaal. Dort gibt es Ruheräume, die für Studenten reserviert sind, denen die Lesesäle zu laut sind. Dort warte er, dass ihm der Kunde ein Foto der Klausurfragen auf das Handy schicke.

Hausarbeiten kosten 1.000 Euro

Er selbst sieht den Nebenjob im Klausurenschreiben als Übung für die Erste Juristische Staatsprüfung, andere müssten danach die Übungsklausuren umsonst schreiben. Auch Hausarbeiten biete er an, wegen des besonderen Aufwands verlangt er dafür allerdings 1.000 Euro. Nach eigener Angaben habe er bis heute 4.000 Euro durch das Schreiben fremder Klausuren verdient, was natürlich nicht gerade wenig ist.

So ganz ergeben die Schilderungen allerdings keinen Sinn, was den Bericht in einem doch recht merkwürdigen Licht erscheinen lässt. Wie kann der Prüfling von der Klausur ein Foto machen, wenn Handys während der Klausuren – zumindest im Hamburg – doch verboten sind. Und wozu sollte es gut sein, sich durch die Prüfungen schleusen zu lassen, wenn doch spätestens vor dem Staatsexamen sowie Schluss wäre, wenn man die Klausuren nicht gebacken bekommt?

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es Ghostwriter an einigen Jurafakultäten geben wird – spätestens seit es die Serie „Suits“ vorgemacht hat ;-)


11 Kommentare zu “Jura-Studium: Für 300 Euro schreibe ich Klausuren anderer

  1. Ein Handyverbot wird jemanden der schon seine Klausur nicht selber schreiben will wohl nicht grade von einem Foto abhalten :=)

    • Es erhöht aber das Entdeckungsrisiko deutlich. Außerdem hat er ja schon 150 Euro für den Ghostwriter investiert, da wäre es doch blöd wenn er wegen der Handy-Aktion die Klausur nicht schreiben darf.

  2. Schon während meines nicht ganz unmittelbar zurückliegenden Studiums gab es nicht nur Kommilitonen, bei denen das Gerücht umging, dass man sie jedenfalls für Hausarbeiten in verschiedenem Umfang ansprechen könnte (das ging vom unentgeltlichen Korrekturlesen im Sinne „wer seine Hausarbeit vollständig alleine schreibt, ist entweder arm oder asozial (=hat keine Freunde) bis hin zu Geld). Darüber hinaus gab es – was, wie ich finde, die noch größere Sauerei ist, vereinzelt sogar Referendare, die von ihren Großkanzleien nicht in irgendeiner Form von Anwaltstätigkeit ausgebildet wurden, sondern (zT ausschließlich) dafür abgestellt wurden, um für die Kinder einflussreicher Mandanten die Examenshausarbeit zu schreiben. Wobei die Einser- und Zweierreferendare nach meiner Kenntnis auch nicht wirklich ein Mitspracherecht hatten, ob sie das machen wollten oder nicht (und häufig genug stinksauer waren, aber sich nicht trauten, kurz vor dem Examen einen Anwaltsstationswechsel mit einer jegliche eigenen Karrierepläne bei dem bisherigen Anwaltsausbilder vernichtenden Begründung vorzunehmen oder schnell eine andere Begründung zu finden und vor allem einen anderen Ausbilder). Merke: die Aufsicht in Klausuren kann man sicherlich auch irgendwie austricksen, aber meist ist das doch deutlich schwieriger, so dass vieles dafür sprechen dürfte, wenigstens im Examen auf Hausarbeiten zu verzichten.

    • @Alex:

      Ergänzung: Die „reichen Töchterchen“, mit denen ich mal so halb eine Arbeitsgruppe für eine Hausarbeit gebildet habe, hatten übrigens Probleme, entsprechende Leute zu finden. Was@juralinchen:

      Zumindest die Leute, die sich gegenseitig korrigieren, dürften es schwerer haben, aus meinem Semester durften mehrere Leute Hausarbeiten neu schreiben, weil die dann doch zu ähnlich geraten sind – eine Gefahr, die immer besteht, wenn man, sozial wie man ist, seine Hausarbeit nicht alleine schreibt. (Es gibt da plagiatsskandalbedingt mittlerweile gewisse Empfindlichkeiten.)

      Ein Kommilitone ist übrigens gerade so an einer Nichtwertung seiner Hausarbeit vorbeigeschrammt, er war so dumm, eine frühe Version seines Lösungsweges an zwei andere zu geben, damit die sehen können, wie man die Arbeit zum Beispiel aufzieht. Die waren auf Grund ihrer eigenen Verzweiflung mit der Arbeit kurz davor, seine Arbeit etwas abzuwandeln und als ihre abzugeben – er wäre mit dran gewesen, sehr reizende Vorstellung.

  3. Solange der Nachwuchs von Superreichen an Eliteschulen in Frankreich und der Schweiz mit Meriten versorgt wird, müssen wir uns um die Auslesemechanismen, die für das Volk zu gelten haben, keine Gedanken machen. Die allgegenwärtige Korruption ist das Problem, und nicht so sehr die kleinen Taktiken, mit denen der Bürger endlich zum Aufsteiger werden will.

  4. Mmh, kann durchaus sein, dass man in dem Tumult schnell das Deckblatt tauschen kann und dann eine andere Arbeit abgibt (Ausweise werden selbstverständlich mit den Angaben auf dem Deckblatt abgeglichen), besonders einfach, wenn man die vorher ausdruckt, wie es mittlerweile Mode ist. Die meisten Arbeiten werden übrigens im Audi Max geschrieben, nicht in dem beschriebenen Hörsaal, letztes Semester durfte ich sogar rüber ins CCH. Das Audi Max ist insofern ein recht schöner Ort für Klausuren, weil man trotz der Regel, dass eine Reihe frei gelassen werden muss, recht gut einsehen kann, was vor einem passiert. Auch wenn ich nicht lesen kann, was die Leute schreiben, so sehe ich, was sie auf ihren Tischen und dem Schoß machen. Es gibt nicht nur die normale Aufsichtsperson, sondern reichlich Petzen, die sich auch ans Personal wenden, wenn man ein Taschentuch aus dem Rucksack holt, ohne gefragt zu haben, von Smartphones ganz zu schweigen.

    Hätte die Aufsicht denjenigen erkannt, wäre die Standardausrede „üben“ gewesen, es ist nicht wirklich etwas Ungewöhnliches, ältere Semester bei jüngeren Klausuren zu sehen (oder ich kenne zu viele merkwürdige Leute, kann natürlich auch sein).

    In der ZBR (der beschriebenen Biliothek) gilt es grundsätzlich, ruhig zu sein, damit die Leute dort arbeiten können. Die angeblichen Ruheräume sind genau das Gegenteil, nämlich Arbeitsräume, die einen kann man für Gruppen reservieren und da ist dann nur die Gruppe drin (und redet, ist also laut), als Einzelperson sitzt man da wie auf dem Präsentierteller (und erregt das Interesse des Ordnungspersonals, das angehalten ist, auch mal nachzufragen – und das bohrt so lange, bis endlich die verspäteten Gruppenmitglieder auftauchen, anhand derer man nachweisen kann, dass man den Raum nicht nur so blockiert), in die anderen Räume kommt man so rein, da ist es dann aber auch gerne mal laut, weil man da reden darf. Da sich auch in der eigentlich ruhigen Zone nicht alle dran halten, still zu sein, würde ich aber ohnehin entweder Ohropax oder den Gang in die Uni-Bibliothek empfehlen.

  5. Naja… Auch in diesem Artikel sieht man, dass nix so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird.
    Der freundliche Whistleblower teilt uns mit, dass er 300€ pro Klausur und 1000€ pro Hausarbeit nimmt. Wenn er dann weiter erzählt, dass er damit schon 4000€ verdient haben will, hält sich sein Auftragsvolumen doch eher in Grenzen.

  6. Gute Noten für die Scheine kann einem auch schon ein paar kleine Türen öffnen… fürs Praktikum, für den Lehrstuhl als Hilfskraft.. sogar bei der Staatsprüfung, wenn man auf der Kippe zwischen zwei Noten steht.

    Das Schreiben von Hausarbeiten dürfte zudem wesentlich einfacher sein im Vergleich zu Klausuren, allerdings darf wohl das Leistungsniveau zwischen Scheinschreiber und Schreiber nicht allzu groß sein, um Auffälligkeiten zu vermeiden.

    Wenn das auffliegt, dürfen wohl beide Seiten mit erheblichen Maßnahmen rechnen.

    Der bezahlte Schreiberling dürfte wohl auch ein Einkommen- und Umsatzsteuerproblem bekommen, wenn er solche Summen innerhalb eines Jahres verdient und nicht ausweist.

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