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Was ist ein „guter Strafverteidiger“?

Sicherlich gewollt provokativ wählte Alexander Ignor, Vorsitzender des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer und Professor für Straf- und Strafprozessrecht der Humboldt Universität die Überschrift „Was ist ein guter Strafverteidiger?“ in der aktuellen Ausgabe (Juni 2013) des BRAK-Magazins.

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Thesen zur Strafverteidigung in zweiter Auflage

In dem Artikel geht es hauptsächlich um die „Thesen zur Strafverteidigung“, die bereits 1992 in einer ersten Auflage erschienen sind und kürzlich vom Strafrechtsausschuss überarbeitet und 2015 in zweiter Auflage erschienen sind. Die Thesen wurden damals entwickelt, um die durch den Wegfall der Standesrichtlinien entstandene Lücke zu füllen und vor allem jüngeren Strafverteidigern eine Handreichung für typische Situationen zu geben — dies allerdings ohne Anspruch auf normative Verbindlichkeit.

Dabei zwingen die Thesen jedoch keineswegs ein ethisches oder moralisches Denkgerüst auf, sondern sind als Handlungsempfehlungen zu verstehen, die bereits der praktischen Vernunft nach einen guten Verteidiger beziehungsweise eine gute Verteidigerin leiten sollte. Die letzten Jahre führten beispielsweise durch die Einführung des Verständigungsgesetzes zu erhöhten Anforderungen an die Strafverteidigung. Jüngst beklagte der Großer Senat für Strafsachen gar eine „Änderung des anwaltlichen Ethos“ bei Strafverteidigern, die in dieser Undifferenziertheit sicher schlicht unzutreffend sind. Dennoch nimmt sich die Neuauflage dieser Wahrnehmung sowie den geänderten Anforderungen an die Strafverteidigung an und reflektiert diese mit praktischen Empfehlungen an die Kollegen.

Und was ist nun einer guter Strafverteidiger?

Zum Schluss soll nun natürlich nicht die Kernfrage unbeantwortet bleiben, was einen „guten“ Strafverteidiger ausmacht. Alexander Ignor beschreibt dies so:

Generell verstehe ich unter einem guten Anwalt – und das meint auch eine gute Anwältin – einen, der zum Wohle seines Mandanten, zum Wohle des Rechts und nicht zuletzt zu seinem eigenen Wohle der „Verwirklichung des Rechtsstaats“ dient, wie es in § 1 Abs. 2 BORA so schön heißt. Diese drei Ziele muss er in „praktische Konkordanz“ bringen. Rechtskenntnis, Menschenkenntnis und Lebensklugheit sind hierfür unverzichtbar. Ein guter Strafverteidiger muss außerdem über viel Empathie verfügen. Er muss die Fähigkeit haben, sich in die Situation des Mandanten zu versetzen, gleichzeitig aber auch eine professionelle Distanz zum Mandanten wahren. Er darf seinen Mandanten weder bevormunden, noch sich zu dessen bedingungslosem Sprachrohr machen.

Sich in diesem Spannungsfeld zu bewegen, gehört zur Kunst der Strafverteidigung.

Viel treffender hätte man es nicht sagen können.


[Der Artikel wurde überarbeitet, die Neuauflage der „Thesen zur Strafverteidigung“ berücksichtigt.]


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