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Auf Kuschelkurs mit dem Gericht

Dass gute Strafverteidigung deutlich mehr ist als reine Verurteilungsbegleitung, sollte für jeden engagierten Verteidiger selbstverständlich sein. Wer als Verteidiger allzu harmoniebedürftig ist, dürfte eher schnell an seine Grenzen stoßen. Konfrontation liegt in der „Natur der Sache“, denn schließlich habe sich das Gericht mit dem Eröffnungsbeschluss bereits zu Lasten des Mandanten festgelegt. Und auch der Staatsanwalt ist leider häufig nicht der objektivste der Welt!

„Ein Verteidiger muss das Gericht von der Verurteilungsprognose runterbringen.
Das schaffen Sie nicht mit Freundlichkeit.“ (Johann Schwenn)

Verteidigung mit „Feuer und Schwert“ statt Kuschelkurs

Ein „Kuschelkurs“ mit dem Gericht habe jedenfalls noch keinem Mandanten geholfen, resümiert Johann Schwenn vergangene Woche auf dem 69. Deutschen Anwaltstag (DAT) in Mannheim. Der Verteidiger von Jörg Kachelmann ließ es sich nicht nehmen, einige deutliche Worte zum Thema Strafverteidigung zu verlieren. Gerade der „Fall Kachelmann“ belegt in eindrucksvoller Weise, wie notwendig eine unerschrockene Strafverteidigung mit „Feuer und Schwert“ ist.

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Johann Schwenn im „Kachelmann-Prozess“ in Mannheim (Archivfoto) Foto: Itu (CC BY-SA 3.0)

Dass Kachelmann nun ausgerechnet in Mannheim auf der Bühne sitzt und über „Fehlerkultur in der Rechtspflege“ diskutiert, grenzt an Realsatire. Mannheim war die Stadt seines „U-Haft-Martyriums“, hier hatte ihn die Staatsanwaltschaft eines Verbrechens angeklagt, als längst klar war, dass die Zeugin in ganz zentralen Punkten gelogen hatte. Hier hatte die Staatsanwaltschaft auch nach dem Freispruch noch wahrheitswidrig behauptet, es hätte DNA-Spuren am „Tatmesser“ gegeben, die mit der DNA-Typisierung von Kachelmann übereinstimmen würden. Hier wurde ihm der Prozess gemacht durch ein Gericht, welches in der mündlichen Urteilsbegründung noch von einem Freispruch „aus Mangel an Beweisen“ sprach. Was hätte man ihn gern verurteilt!

Eine „Bande von Idioten“

Mannheim war aber auch kein glanzvoller Ort der Gerichtsberichterstattung. Spricht man von Fehlerkultur, gehört auch die vorverurteilende Medienberichterstattung hierzu, die Kachelmann – mit wenigen Ausnahmen sachkundiger Berichterstattung – als eine „Bande von Idioten“ bezeichnet. Auf Gerichtsfluren führten sich diese teilweise auf wie „auf Klassenreise“ und gerieren sich im Stil pubertierender Teenager – als Tiefpunkt gilt der Moment, als auf Protest der Pressefotografen und Kamerateams der JVA-Transporter wieder ein Stück nach vorn gefahren wird, damit Kachelmann öffentlich vorgeführt werden kann.

Verteidigung bedeutet eben nicht nur, sich mit der Justiz auf ein Urteil zu einigen, sondern Kampf auf allen Feldern gegen Vorverurteilung und um die Rechte des Mandanten, auch wenn es einmal ungemütlich wird.


3 Kommentare zu “Auf Kuschelkurs mit dem Gericht

  1. Ich werde es nie vergessen, wie ca. im Jahre 1990 in Frankreich ein Richter (hinter vorgehaltener Hand) erklärte: „Wir sind es der Presse und der Öffentlichkeit schuldig, diesen Mann [zu 12 Jahren Haft] zu verurteilen.“ – Das war ein Fall, der damals durch die gesamte französische Presse ging, von allen und jedem kommentiert wurde (vor allen von denjenigen, die die Einzelheiten überhaupt nicht kannten), so dass man sich genötigt sah, ein Bauernopfer zu „schlachten“. Leider hatte das Bauernopfer damals nicht die Möglichkeit, sich einen Anwalt zu nehmen, der die Courage gehabt hätte, auch der „Öffentlichkeit“ die Stirn zu bieten, wie z. B. Maître Jacques Vergès es in dem berühmten Prozess gegen Klaus Barbie getan hat (auch wenn ich den o. g. Verurteilten nicht mit Letzterem auf eine Stufe stellen möchte).

  2. Bei einer Strafmaßverteidigung dürften wohl eher mildere Töne angebracht sein.
    Wenn man allerdings auch die aussichtslosesten Fälle auf Freispruch verteidigt, muss man sich selbst hinterfragen und nicht die Schuld beim Gericht suchen.

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