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Zur Höhe des Tagessatzes bei geringem Einkommen

Die Höhe des Tagessatzes bei Geldstrafen folgt grundsätzlich aus § 40 Abs. 2 StGB:

1Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. 2Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. 3Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

Höhe des Tagessatzes nicht mehr als 5 Euro

Der zulässige Rahmen liegt nach § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB demnach zwischen 1,– und 30.000,– Euro. Der Mindestsatz von einem Euro kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen, etwa bei Untergebrachten, Strafgefangenen, Asylbewerbern oder in Abschiebehaft Befindlichen.1 Nahe am Existenzminimum Lebenden, also Empfänger von Arbeitslosengeld II (sog. „Hartz IV“) oder Sozialgeld darf nicht der unerlässliche Lebensbedarf genommen werden. Darüber hinaus kann es geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen Bezüge festzusetzen.2 Der Personenkreis der Geringverdiener wäre bei strikter Einhaltung des Nettoeinkommensprinzips härter betroffen als normal Verdienende.

Entsprechend der Ermittlung des ALG II-Regelbedarfs für ein soziokulturelles Existenzminimum dürfte eine Höhe des Tagessatzes von 5 Euro angemessen sein.3

Bei Studenten (Praktikanten, Auszubildenden, Schülern) ist maßgebend, was sie tatsächlich an regelmäßigen Bezügen – etwa Zuwendungen von den Eltern (dazu zählen auch Sachbezüge wie Lebensmittel oder Tankguthaben), Unterhaltsleistungen, BAFöG oder Wohngeld erhalten.

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Wie hoch darf ein Tagessatz sein, um (noch) angemessen zu strafen? // Foto: Lupo / pixelio.de

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 zu existenzsichernden Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)4 werden auch für Asylbewerber im Wesentlichen dieselben Maßstäbe gelten wie für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und XII. Naturalbezüge (z.B. Gutscheine für Lebensmittel) werden wie sonstiges Einkommen in die Berechnung der Tagessatzhöhe einbezogen.5

Bei einer hohen Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen ist regelmäßig eine Absenkung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen, denn mit der zunehmenden Zahl der Tagessätze steigt die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe nicht in entsprechender Weise, sondern wächst progressiv.6

Ratenzahlung und Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe

Damit aus der Geldstrafe nicht eine Ersatzfreiheitsstrafe wird – jeder Tagessatz wird dann gemäß § 43 StGB zu einem Tag Knast – ist auf die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) und die häufig bestehende Möglichkeit hinzuweisen, eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe durch Arbeitsleistung zu vermeiden.

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  1. Fischer, StGB (60. Aufl. 2013) § 40 Rn. 11 []
  2. OLG Köln, StV 2009, 592; OLG Stuttgart, StV 2009, 131; OLG Hamburg, NStZ 2001, 655 []
  3. so auch LG Köln, Urt. v. 07.10.2010 – 156 Ns 49/10; OLG Naumburg, Urt. v. 15.07.2010 – 2 Ss 89/10 []
  4. BVerfG, NJW 2012, 3020 []
  5. st. Rspr.; vgl. OLG Dresden, StV 2010, 487 und OLG Köln, StV 2009, 592 []
  6. KG, Beschl. v. 02.11.2012 – (4) 121 Ss 146/12 (265/12) []

13 Kommentare zu “Zur Höhe des Tagessatzes bei geringem Einkommen

  1. Das gleiche auch in NRW für einen erkrankten und zu fast 100% Arbeitsunfähigen angeblichen Straftäter (Verurteilung erfolgte wegen angeblicher 3 gleichen Beleidigungen gegenüber 2 Staatsanwältinnen. Eine davon wäre aber bereits verjährt gewesen und auch der Dienstvorgesetzte hat über 5 Jahre gebraucht anstatt der zulässigen 3 Monate für seine Antragsbefugnis).
    90 Tagessätze zu je 15 EUR.
    Die Praxis bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze in Strafverfahren, 22.01.2010
    Das Gesetz sieht vor, daß zwischen 5 und 360 Tagessätze verhängt werden dürfen (§ 40 StGB)…
    http://blog.justizfreund.de/?p=2743

    Es hätten auch 77, 88 oder 91 Tagessätze sein können, wegen der individuellen Schuld. Das wird man aber nicht finden.

    • Strafverteidigern kommt im Gerichtssaal die Aufgabe zu, ungerechte Urteile zu verhindern – dazu gehört auch die Anzahl und die Höhe der Tagessätze. Ich kenne den Fall nicht und deshalb verbietet sich mir jedes Urteil darüber. Ich kann jedoch dazu raten, sich jeweils eines Anwalts oder besser eines Strafverteidigers zu bedienen, wenn man wegen einer Straftat verdächtigt wird.

      Natürlich könnte der Richter auch 77, 88 oder 91 Tagessätze verhängen. Aber spielt das tatsächlich eine Rolle, ob es nun 88 oder 90 sind? Wichtiger wäre doch gewesen, eine angeblich verjährte Tat oder die Beleidigung an sich aus der Welt zu schaffen …

      • mag sein . aber ich habe strafverteidiger erlebt (zuordnung erfolgte GEGEN den willen des angeklagten) die GEGEN ihren mandanten arbeiten. (dachau)

        dieser strafverteidiger sorgte für ein verurteilung und sabotierte alle weitern versuche des angeklagten sich zu wehren

        bei alg2 beziehern 5 € festzulegen ist der bayerischen justiz nicht bekannt…in diesm fall waren es 15 €

  2. Auch bei der gesetzlichen Bestimmung des Strafmaßes – oder dessen Nachbildung durch die Exekutive – ist der Staat an die Schranken des GG in Art. 79 GG gebunden. Ein Gesetz, welches (mit einem Mindesttagessatz von 1 Euro) das Existenzminimum eines Menschen angreift, ist bereits ad tunc verfassungswidrig. Daran ändert sich auch nichts über spätere Verharmlosung durch die versteckte Ratenkreditschaffung bei Mittellosen. Der Kernbereich von Art. 1 und 20 GG ist für den Gesetzgeber bereits bei der Gesetzgebung tabu und daher nicht erst mit der Aussetzung der Vollstreckung rückwirkend ein existierender Verfassungsbruch zu beheben! Dies ist eine unzulässige gestalterische Umgehung der Kompetenzschranken (Analogie zu bestehender RS des BVerfG!).

  3. welch „zufall“ das es in beiden fällen 90 ts waren…ist die max strafe die nicht im FührungsZ auftaucht…justizia…du bist eine hurx

  4. das gilt aber leider nicht für bayern….dort werden in der regel 15€ tagessatzhöhe für alg2 bezieher angesetzt….das entspricht 1350€ bei 90Ts….
    oder ersatzweise 540 STD bauhof…(was NUR für gesunde zu schaffen ist.behinderte sind also automatisch von „schwitzen statt sitzen ausgenommen)

  5. Das mit 5 € als Mindesthöhe scheint sich zumindest in Dortmund noch nicht herumgesprochen zu haben. Ein RiAG meinte heute, er gehe grundsätzlich von knapp über 300€/Monat als Einkommen aus und lege 10 €/Tag fest, beim Vorliegen besonderer Umstände könne davon auf 8 €/Tag abgewichen werden. Er habe sogar gehört, dass man in Köln und Berlin schon mal 4 €/Tag zu Grunde gelegt habe. Daraufhin meinte der Vertreter der StA (Herr Rechtsreferendar), weniger als 5€/Tag gehe doch gar nicht.
    Also meinte der Richter, mit seinen 10 € liege er doch ganz gut…

  6. Na ja, eine Strafe hat ja auch prinzipiell den Sinn, spürbar zu sein, damit sich eine Wirkung in der Art einstellt, dass man dies möglichst zukünftig nicht wieder tut. So gesehen ist es natürlich nicht sehr sinnvoll, den Tagessatz so anzusiedeln, dass man ihn locker zahlen kann, ohne es groß zu merken.
    In der Regel wird man ja auch nicht wegen Falschparkens zu einer Strafe, die in Tagessätzen abgeleistet werden muss, verurteilt. Da hat man ja doch meist selbst den Grund dafür gesetzt, oder?

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