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Nebenklage: Bloße Nebenrolle?

Die Nebenklage ist ein Mittel des Opferschutzes. Die Strafprozessordnung bietet Verletzten oder Geschädigten einer Straftat die Möglichkeit, im Wege einer Nebenklage aktiv am Strafverfahren teilzunehmen.

Bedeutung der Nebenklage

Mit der Nebenklage schließt sich der Nebenkläger einer öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft an (§ 395 Abs. 1 StPO). Das bedeutet, dass der Verletzte selbst keine eigene Anklage erhebt, sondern sich an die Anklage der Staatsanwaltschaft hängt. Es gehört zu den Errungenschaften unserer Strafprozessordnung von 1877, dass das Anklagemonopol grundsätzlich nur der Staatsanwaltschaft zusteht (§ 152 StPO). Der Nebenkläger kann daher „nur“ im Rahmen der staatsanwaltlichen Anklage seine persönlichen Interessen auf Genugtuung verfolgen. Hierbei kann er jedoch als ein mit besonderen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter agieren und zwar völlig unabhängig von der Staatsanwaltschaft. Er kann aktiv auf den Prozessverlauf Einfluss nehmen und somit auch das Prozessergebnis in seinem Interesse beeinflussen. Damit dies unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten geschieht, kann er sich durch einen Rechtsanwalt als Nebenklagevertreter unterstützen lassen. Auch wenn der Nebenkläger keine eigene Anklage erhebt, kann er seine weitreichenden Rechte intensiv nutzen und muss im Strafprozess keine bloße Nebenrolle spielen.

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Verletzte einer Straftat können sich dem Strafverfahren als Nebenkläger anschließen // Foto: Kzenon / Fotolia.com

Person des Nebenklägers

Die besondere Verfahrensstellung eines Nebenklägers im Strafverfahren steht allerdings nicht jedem Opfer einer Straftat zu. Nebenklageberechtigt ist nach § 395 Abs. 1 StPO die unmittelbar verletzte Person, wenn sie durch eine dort genannte Katalogtat verletzt wurde. Solche Katalogtaten sind einerseits schwere Aggressionsdelikte gegen die höchstpersönlichen Rechtsgüter des Opfers. Wer etwa Opfer einer Vergewaltigung, versuchten Mordes oder Totschlags, vorsätzlicher Körperverletzung oder Geiselnahme geworden ist, kann als Nebenkläger vor Gericht auftreten. Zum anderen erfassen die Katalogtaten Verletzungen gewerblicher Schutzrechte oder Urheberrechtsverletzungen, insbesondere Patent- oder Markenrechtsverletzungen. Auch wenn dies im Zusammenhang mit den zuvor genannten Aggressionsdelikten etwas deplatziert und systemfremd wirkt, ändert das nichts an der klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Regelung.

Ebenso können nach § 395 Abs. 2 StPO die nahen Angehörigen eines Getöteten als Nebenkläger auftreten oder der erfolgreiche Antragsteller eines Klageerzwingungsverfahrens (§ 172 StPO). In einem erfolgreichen Klageerzwingungsverfahren wird die Staatsanwaltschaft gegen ihren Willen gezwungen, das Verfahren durchzuführen. Der Nebenkläger kann dann darauf achten, dass die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf nicht nachlässig verfolgt.

Mit der Neufassung des § 395 Abs. 3 StPO durch das Zweite Opferrechtsreformgesetz vom 1. Oktober 2009 wurde ein Auffangtatbestand für die Nebenklagebefugnis von Opfern mit besonders schwerwiegenden Tatfolgen geschaffen. Erfasst werden Verletzte einer rechtswidrigen Tat, wenn dies aus besonderen Gründen zur Wahrnehmung ihrer Interessen geboten erscheint. Ob die erforderliche Schutzbedürftigkeit vorliegt, ist anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu überprüfen. Nach dem Bundesgerichtshof reicht jedoch eine wirtschaftliche Notlage nicht aus und ist in aller Regel bei Diebstahl, Betrug und Untreue ausgeschlossen1.

Befugnisse des Nebenklägers

Der Nebenkläger hat eigene bedeutende Befugnisse, um das Strafverfahren in seinem Interesse zu beeinflussen. Beginnend mit einem Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO, das er über einen Rechtsanwalt ausüben kann, steht ihm ein permanentes Anwesenheitsrecht zu und zwar auch dann, wenn er später in der Verhandlung noch als Zeuge vernommen werden soll. Dagegen hat er keine Anwesenheitspflicht und kann frei entscheiden, ob er zur Hauptverhandlung kommen möchte oder nicht. Wenn der Nebenkläger allerdings in die Rolle des Zeugens wechselt, ist er im Rahmen seiner Zeugenvernehmung auch zur Anwesenheit verpflichtet. Hinzu kommen auch umfassende Antragsrechte wie etwa Beweis- und Befangenheitsanträge. Dadurch kann er auf eine sachgerechte Ausübung der gerichtlichen Aufklärungspflicht hinwirken. Denn das Gericht ist verpflichtet, allen erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachzugehen. Daneben kann er nach § 220 StPO Beweispersonen auch unmittelbar laden lassen. Er hat zudem Anspruch auf rechtliches Gehör und kann Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und Sachverständigen stellen ebenso wie Rügerechte ausüben. In einem Schlussvortrag kann er plädieren und auch auf den Schlussvortrag des Angeklagten erwidern. Zudem kann der Nebenkläger in gewissen Grenzen eigene Rechtsmittel einlegen.

Kosten der Nebenklage

Die Kosten können bei bestimmten Nebenklagedelikten der Staatskasse auferlegt werden. Das kann zum Beispiel bei Opfern von Sexualdelikten, versuchten Tötungsdelikten oder den Angehörigen eines Getöteten der Fall sein – auch Opfer einer Nachstellung oder von Raubdelikten können darunter fallen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Nebenkläger in jedem Falle seine Kosten erstattet bekommt und nicht wegen der Zahlungsfähigkeit des Angeklagten leer ausgeht. In anderen Fällen kann Prozesskostenhilfe gewährt werden, vgl. § 397a StPO. Ist allerdings der Rechtsanwalt nicht durch das Gericht beigeordnet worden, dann werden bei einer Verurteilung dem Angeklagten die Kosten der Nebenklage auferlegt. Wird das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt, können ihm aus Billigkeitsgesichtspunkten gleichwohl die Kosten der Nebenklage auferlegt werden, vgl. § 472 StPO. Bei einem Freispruch sind die Kosten jedoch vom Nebenkläger selbst zu tragen.

Anschluss und Verfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden

Der Nebenkläger kann sich in jeder Lage des Verfahrens der Anklage anschließen und tritt ab diesem Zeitpunkt in das laufende Verfahren ein. Es genügt eine schlichte schriftliche Anschlusserklärung ohne Sachverhaltsdarstellung, die auch bereits vor der Anklageerhebung abgegeben werden kann. Das Nebenklagedelikt muss nicht unbedingt in der Anklage erwähnt werden, ausreichend ist vielmehr Tateinheit oder Gesetzeskonkurrenz. Zulässig ist die Nebenklage nicht nur im gewöhnlichen Strafverfahren und Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) gegen Erwachsene, sondern auch gegen Heranwachsende2. In Verfahren gegen Jugendliche ist die Nebenklage nur im engen Rahmen des § 80 Abs. 3 JGG bei zum Beispiel schweren Verbrechen zulässig.

Angesichts der weitreichenden Befugnisse des Nebenklägers und seiner unabhängigen Einflussnahme auf den Prozessverlauf spielt er alles andere als nur eine Nebenrolle. Der Nebenkläger kann eine gewichtige Hauptrolle in dem für ihn schicksalsträchtigen Verfahren einnehmen.

Gastbeitrag von Nora Schubert, Volljuristin aus Hamburg

  1. BGH, Beschl. v. 09.05.2012 – 5 StR 523/11 []
  2. vgl. § 109 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 3 JGG []

1 Kommentar zu “Nebenklage: Bloße Nebenrolle?

  1. ist zwar sehr Aufschlussreich, jedoch geht nicht eindeutig daraus hervor, wird ein Rechtsanwalt benötigt oder nicht. Kann z.B. ein Vater eines volljährigen Opfers, wenn diese Ihm die entsprechnde Vollmacht ausstellt in die Nebenklage eintreten?
    Oft sind Opfer ja traumatisiert und nicht grade mit einer Nebenklage belastbar.

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