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Gegenüberstellung durch Wahllichtbildvorlage:
Den Verdächtigen bei der Polizei sicher wiedererkannt?

Seit jeher werden Tatverdächtige den Zeugen zur Wiedererkennung gegenübergestellt. So wie man das aus dem Fernsehkrimi kennt, wird die Gegenüberstellung allerdings nur noch selten gemacht, da diese mehr und mehr durch eine Wahllichtbildvorlage ersetzt wird.

Beliebte Frage: War der das?

Die überaus hohe Irrtumsanfälligkeit des Wiedererkennens ist ebenso schon immer eine Fehlerquelle ersten Ranges im Strafverfahren, insbesondere bei der Einzelgegenüberstellung oder der Vorlage nur eines Bildes („War der das?“). Daher bestimmt Nr. 18 RiStBV1, dass einem Zeugen mehrere Personen ähnlichen Alters und einer ähnlicher Erscheinung gegenüberzustellen sind – entsprechend ist bei der Wahllichtbildvorlage zu verfahren.

Einer solchen Einzelgegenüberstellung und damit auch der Vorlage nur eines Einzellichtbildes dürfte wegen der damit einhergehenden suggestiven Wirkung kein2 oder allenfalls nur ein sehr geringer Beweiswert3 zukommen. Aus diesem Grund ist darauf zu achten, dass einem Zeugen „eine Reihe“ von Vergleichspersonen gegenübergestellt bzw. gezeigt werden, wobei eine Zahl von mindestens acht Vergleichspersonen sachgerecht ist4. Darüber hinaus muss die jeweilige Auswahl dieser Vergleichspersonen so gestaltet sein, dass die wesentlichen Vergleichsmerkmale der Personen im äußeren Erscheinungsbild übereinstimmen.5

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Schon bei der Auswahl und Zusammenstellung der Wahllichtbildvorlage sind Fehler zu vermeiden.

Keine suggestive Einflussnahme durch die Polizeibeamten

Eigentlich bedarf es keiner Erwähnung, dass Ermittlungsbeamte bei Wahllichtbildvorlagen und bei Wahlgegenüberstellungen alles zu unterlassen haben, was den jeweiligen Zeugen in seiner Unvoreingenommenheit beeinflussen kann. So darf ein Vernehmungsbeamter werden auf ein einzelnes Lichtbild des Verdächtigen besonders hinweisen6, noch darf das Bild des Verdächtigen größer sein als die Fotos der Vergleichspersonen7. Auch sollte eine Gegenüberstellung nicht mit Polizeibeamten durchgeführt werden, da diese in der Regel routiniert und selbstsicher auftreten und somit eine ganz andere Ausstrahlung haben als der meist nervöse Verdächtige.

Vielmehr ist ein Zeuge vor der Durchführung der Gegenüberstellung nachdrücklich und neutral darauf hinzuweisen, dass seine Leistung unabhängig davon ist, ob er eine Person identifizieren kann oder nicht und dass der wirkliche Täter möglicherweise nicht dabei ist.8 Bleibt dieser erste Wiedererkennungstest allerdings erfolglos, ist der Beweiswert eines späteren Wiedererkennens unwiderruflich verloren und im gesamten Verfahren nicht mehr rückgängig zu machen.

Sequenzielle Wahllichtbildvorlage

Dennoch kann selbst bei einer sachgerecht durchgeführten Wahlgegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage nicht verhindert werden, dass ein Zeuge in der Erwartung, der Gesuchte müsse sich in der Gruppe befinden, denjenigen identifiziert, der noch am ehesten seiner Erinnerung an den Täter entspricht – dabei wird nicht selten schon eine vage Ähnlichkeit mit einer Identität verwechselt.9 Vorzugswürdig ist daher eine sequenzielle Wahllichtbildvorlage, bei dem einem Zeugen nicht gleichzeitig alle Fotos in einer Gruppe („Line-up”), sondern einzeln und nacheinander vorgelegt werden, so dass der Zeuge seine Entscheidung sogleich und in Unkenntnis der noch folgenden Personen treffen muss. Die Vorlage weiterer Fotos darf allerdings nicht abgebrochen werden, wenn der Zeuge erklärt, er habe den Tatverdächtigen wiedererkannt. Bei einer entsprechend hohen Vergleichszahl von Fotos kann der Zeuge dagegen etwaige Unsicherheiten in seiner Beurteilung besser erkennen und diese auch gegenüber dem Vernehmungsbeamten offenlegen.10 Nur dadurch kann eine vergleichende Auswahl sicher ausgeschlossen werden.

Fotonachweise: grafikplusfoto, Daniel Ernst, Edler von Rabenstein, Robert Kneschke, Fotolia.com, PlaceIt.net

  1. Nr. 18 RiStBV – Gegenüberstellung: Soll durch eine Gegenüberstellung geklärt werden, ob der Beschuldigte der Täter ist, so ist dem Zeugen nicht nur der Beschuldigte, sondern zugleich auch eine Reihe anderer Personen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung gegenüberzustellen, und zwar in einer Form, die nicht erkennen lässt, wer von den Gegenübergestellten der Beschuldigte ist (Wahlgegenüberstellung). Entsprechendes gilt bei der Vorlage von Lichtbildern. Die Einzelheiten sind aktenkundig zu machen. []
  2. Odenthal: Die Gegenüberstellung zum Zwecke des Wiedererkennens, NStZ 1985, 433 []
  3. BGH NStZ 1982, 342; KG NJW 1982, 1603; OLG Stuttgart NStZ-RR 1997, 311; OLG Koblenz StV 2007, 348 []
  4. BGH NJW 2012, 791; vgl. Bender/Nack/Treuer: Tatsachenfeststellung vor Gericht (4. Aufl. 2014), Rn. 1257 []
  5. BGH StV 1993, 627; vgl. Burhoff: Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (6. Aufl. 2013), Rn. 1579 []
  6. BGH StV 1993, 234 []
  7. BGH StV 1998, 249 []
  8. Eisenberg: Beweisrecht der StPO (9. Aufl. 2015), Rn. 1344b []
  9. Odenthal, a.a.O. []
  10. BGH NJW 2012, 791 []

4 Kommentare zu “Gegenüberstellung durch Wahllichtbildvorlage:
Den Verdächtigen bei der Polizei sicher wiedererkannt?

  1. Insbesondere im Rahmen der Wahllichtbildvorlage tritt deutlich hervor, dass der Zeugenbeweis das beste aber auch zugleich unsicherste Beweismittel sein kann. Insoweit ist man grundsätzlich gut beraten, möglichst frühzeitig einen Rechtsanwalt einzuschalten.

  2. Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel. Ich bin Übersetzering (Englisch und Französisch) und war bei der Übersetzung einer Anklageschrift vom Deutschen ins Englische gerade dabei, an dem Begriff „Wahllichtvorlage“ zu verzweifeln…

  3. mich würde mal sehr interessieren – woher Polizei meine Fotos hat um solche Gegenüberstellungen zu bewerkstelligen, wenn ich ein einwandfreies Führungszeugnis nachweisen kann und somit nie von mir Fotos gemacht wurden!?
    Habe ich das Recht sowas zu erfahren?

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