Eine Hausdurchsuchung mit Folgen beschäftigt aktuell die Medien. Es geht um Graffitis und den Vorwurf der Sachbeschädigung. Durchsucht wurde deshalb bei einer 17-jährigen Beschuldigten. Dagegen wurde Beschwerde eingelegt, woraufhin das Landgericht Arnsberg den vom Amtsgericht Arnsberg erlassenen Durchsuchungsbeschluss für rechtswidrig erklärte.
Rein rechtlich gesehen ist das nicht besonders spannend. Trotzdem ist die Aufregung um dieses Verfahren groß, denn es geht auch um Politik. Das jedenfalls behaupten die Beschwerdeführerin und einige Medien, die allerlei potenzielle Verbindungslinien zwischen Beteiligten und Parteien sehen. Eine juristische Sicht auf den Vorgang liefert Detlef Burhoff in seinem Blog und warnt vor voreiligen Schlüssen. Vielleicht hat der Fall eher eine politische, denn juristische Dimension.
Sagen, was sein soll, wenn es so wäre, wie es nicht ist
Mir geht es hier nicht um Politik, sondern um das sogenannte obiter dictum in der Entscheidung des Landgerichts Arnsberg. Das Landgericht hat den Durchsuchungsbeschluss für rechtswidrig erklärt, da der notwendige Anfangsverdacht fehle. Obwohl die Sache damit erledigt sein könnte, legt die Kammer nach und
weist ergänzend darauf hin, dass nach ihrer Auffassung bei Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses der Antrag der Staatsanwaltschaft aktenkundig zu machen ist, und zwar entweder durch die Staatsanwaltschaft selbst (schriftlicher Antrag oder Vermerk über einen fernmündlichen Antrag beim zuständigen Ermittlungsrichter) oder durch den befassten Ermittlungsrichter (Vermerk über ein Telefonat mit dem Staatsanwalt).
Das und die darauffolgenden Sätze bilden ein Obiter Dictum – „nebenbei Gesagtes“ –, das für die Entscheidung des Falles, also die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ermittlungsrichterlichen Beschlusses, keinerlei Bedeutung hat. Gestern hatten wir bereits ein Obiter Dictum des Bundesverfassungsgerichts hier berichtet, das sich immerhin über vier Seiten erstreckte und sich auch um einen rechtswidrigen Durchsuchungsbeschluss drehte.
Passend hierzu hat der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer in seiner „Zeit“-Kolumne über Obiter Dicta einmal Folgendes gesagt:
Sie sagen, was sein soll, wenn es so wäre, wie es nicht ist. Das ist in der Regel überflüssig und manchmal gefährlich.
Spannend also, einmal näher zu schauen, wie sich dieses Obiter Dictum in den Fall einfügt.
Was das Landgericht Arnsberg sagt und was nicht
Auf den ersten Blick auffällig ist die Wertung der Kammer. Ihr „erscheint“ das Geschehen in Bezug auf die Antragstellung „rechtsstaatlich bedenklich“. Wörtlich heißt es dazu im Beschluss:
Die bloße Übermittlung einer gegenüber der Polizei geäußerten Absicht der Staatsanwaltschaft, einen solchen Antrag stellen zu wollen, erscheint der Kammer rechtsstaatlich bedenklich.
Das klingt nebulös-unentschlossen. Und man fragt sich, ob das Landgericht tatsächlich davon ausgeht, dass es in diesem Fall keinen Antrag gab oder ob es – ganz im Sinne von Fischer – hier lediglich sagt, was sein soll, wenn es so wäre, wie es nicht ist. Außerdem lässt diese Wertung aufhorchen, weil damit der Vorwurf eines Verfassungsverstoßes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden im Raum steht. Einen so gewichtigen Vorwurf sollte man aber nicht bloß nebenbei und in dieser Kürze erheben. Mehr noch: Man wünschte sich, das Landgericht hätte diesen Vorwurf nicht in einem Obiter Dictum versteckt, sondern – „ordentlich verpackt“ – als Anknüpfungspunkt für die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses gewählt.
Am Ende hinterlässt dieses Obiter Dictum – so gut es auch gemeint ist – ein gemischtes Gefühl beim Leser, vor allem schafft es für den Fall weniger Klarheit, als man sich erhofft hatte.
